Miteinander reden sei gerade in der Krise wichtiger denn je, machte die Vorsitzende des IHK-Gremiums Freyung-Grafenau und IHK-Vizepräsidentin Elisabeth Hintermann bei der vergangenen Frühjahrssitzung des Gremiums deutlich. Die gewählten Unternehmensvertreter verschiedener Branchen im Landkreis hatten hier die Gelegenheit, die Situation in ihren Betrieben sowie ihre Sorgen und Nöte zu schildern und sich mit Landrat Sebastian Gruber per Videokonferenz auszutauschen.
Dabei wurde deutlich, wie unterschiedlich die Lage in der FRG-Wirtschaft ist. Denn während die einen – etwa Onlinehändler oder Vertreter der Industrie – von Umsatzsteigerungen berichteten, fürchten andere um ihre Existenz. Speziell Gastronomen, Hoteliers und Einzelhändler sind momentan schwer gebeutelt, die Einbußen sind teils dramatisch. Was laut Unternehmern helfen würde, wäre eine verlässliche Öffnungsperspektive. „Aber die gibt es momentan nicht. Stattdessen dominieren seitens der Regierung sprunghafte Entscheidungen, die keinerlei Planungssicherheit zulassen. Eine klare Linie ist nicht erkennbar“, sagte IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner.
Vertreter der Finanz- und Versicherungsbranche berichteten von Investitionsmüdigkeit – schließlich wissen viele nicht, wie es weitergeht. Es herrscht die Sorge, dass mit zeitlicher Verzögerung noch etliche Unternehmen in die Insolvenz rutschen. Deshalb wäre es nach Ansicht der Betriebe fatal, wenn die Steuerlast für Unternehmen künftig noch steigen würde. Sowohl die Unternehmer als auch Landrat Gruber sorgen sich wegen der Existenznöte von Händlern und Gastronomen um die Innenstädte und Ortskerne. „Es macht einen Unterschied, ob im Zentrum von Landshut ein neuer Ladenmieter gesucht wird oder in Grafenau. Wir müssen alles dafür unternehmen, damit wir nach Corona unsere Innenstädte noch so vorfinden wie vor der Krise“, sagte Gruber. Einige Einzelhändler lieferten hier eine Reihe von Vorschlägen. Zum Beispiel sollen ihrer Meinung nach Investitionen in Innenstadtimmobilien künftig förderfähig sein. Aus dem Kreis der Händler kam zudem der Vorschlag einer zeitlich begrenzten Mehrwertsteuer-Privilegierung für die Branche.
Die Vorsitzende Elisabeth Hintermann leitete die Sitzung des IHK-Gremiums per Videokonferenz.
Branchenübergreifend bemängelten die Unternehmer das Festhalten am Inzidenzwert als alleinigen Faktor für mögliche Öffnungsschritte. So müssten beispielsweise auch die Impfquote oder die Belegung der Intensivbetten eine Rolle spielen. Landrat Gruber ergänzte, dass man ebenso auf die Altersverteilung der Infizierten achten müsse.
Ebenfalls auf Kritik stieß, dass die Testpflicht häufig schon an der Verfügbarkeit scheitert. „Für viele Mittelständler sind die Tests auch ein erheblicher Kostenfaktor in einer ohnehin schon schwierigen Zeit“, sagte die Gremiumsvorsitzende Hintermann.
Gleich mehrere Unternehmer machten deutlich, dass sie sich eine stärkere Einbeziehung der Wirtschaft in die politische Entscheidungsfindung wünschen. Die Unternehmen seien bereit, mit Rat und Tat zur Seite zu stehen, wie Hintermann sagte. „Wir Unternehmer sind die Lokomotiven unserer Wirtschaft und sind verantwortlich für unsere Mitarbeiter und unsere Region. Wir können Teil der Lösung sein.“
Die Industrievertreter sprachen noch andere aktuelle Probleme an: Das Abreißen internationaler Lieferketten, enorme Preissteigerungen und Versorgungsknappheit bei Rohstoffen wie Holz oder Stahl. Eine weitere große Herausforderung sei zudem nach wie vor der Fachkräftemangel, das machten die Gremiumsmitglieder branchenübergreifend deutlich. Es werde immer schwerer, an geeignetes Personal zu kommen. Dies entwickle sich zu einem Standortnachteil. Manche Unternehmer befürchten zudem wegen der – nicht zuletzt wegen Corona – niedrigen Ausbildungszahlen einen Wegfall von ganzen Berufsschulklassen in der Region. Landrat Gruber forderte hier Sonderregelungen.
Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde, waren die Grenzkontrollen zu Tschechien. Die stellten in den vergangenen Wochen zahlreiche Betriebe vor erhebliche Logistik- und Personalprobleme. Landrat Gruber bestätigte dazu die pragmatische Linie des Landratsamts bei der Frage der Systemrelevanz der Betriebe.