Eigentlich wird es an den Tagen vor Ostern ruhig, doch wenn nach dem Gloria am Gründonnerstag Orgel und Glocken verstummen, dann kommt die Zeit der Ratscher. Also nicht die Ratscher, die sich hinter vorgehaltener Hand vorzugsweise mitten auf dem Gehweg die neuesten Gerüchte erzählen, sondern die richtig lauten Ratscher, die nur an den Kartagen zu hören sind.
Sprichwörtlich fliegen die Kirchenglocken in dieser Zeit nach Rom, um vom Papst gesegnet zu werden. Woher allerdings diese Metapher kommt, können auch Experten wie Christoph Freilinger vom Österreichischen Liturgischen Institut in Salzburg kaum erahnen. So mancher Brauch entstand aus purer Notwendigkeit und wäre dank des technischen Fortschritts obsolet geworden, doch einige schöne Traditionen haben sich in veränderter Form bis heute erhalten. Mit dem Ratschen ist es ähnlich; auch bevor in jedem Haushalt eine Uhr war, sollten die Menschen zu den Gebetszeiten (Morgens, Mittags und Abends) erinnert werden. Mangels Glocken, die diese Aufgabe für gewöhnlich übernahmen, wurde nach Alternativen gesucht. Der wohl früheste Beleg für diese Substitution ist von 1482 aus Coburg erhalten und spätestens im 18. Jahrhundert hatte sich dieser Behelf im deutschsprachigen Raum verbreitet. Vielleicht ist dieses Ratschen nach dem ersten Frühlingsvollmond aber auch schon deutlich früher entstanden, um mit lautem Getöse den Frühling zu wecken und die bösen Geister zu vertreiben, wie es in manchem Brauchtumskalender geschrieben steht.
Die Ratscher-Gruppe aus Haus i. Wald. (Das Foto wurde vor der Corona-Pandemie aufgenommen.)
Da sich die Notwendigkeit des Zeitansagens auflöste, veränderte sich auch die Tradition. Nur noch in wenigen Orten gehen die Ministranten – denen die Aufgabe des Ratschens meist zukam – auf den Kirchplatz, um mit lautem Getöse die Stunde anzukündigen. In manchen Orten gibt es von Generation zu Generation weitergegebene Ratschsprüche wie: „Wir ratschen, wir ratschen den Englischen Gruß, den jeder katholische Christ beten muss.“ Hier zeigt sich noch der enge Bezug zum Ersetzen des Angelusläutens, doch vielerorts wird nur noch von Haus zu Haus gegangen. Gerade am Karsamstag holten sich die Ministranten ihren Lohn bei den Bürgern ab, indem sie von Tür zu Tür gingen, mit beträchtlichem Lärm ihre "Instrumente" erklingen ließen und vielleicht auch einen Spruch aufsagten, wie: „Wir haben geklappert für´s Heilige Grab – und bitten um eine milde Gab.“ Bis heute hat sich das wohl als recht lukrativ herausgestellt, denn in vielen Dörfern gehen die Ratscher noch immer durch die Straßen und kehren mit Eiern, Süßigkeiten und auch Geld für ihre Dienste heim. So mancher mag auch einen schönen Muskelkater davontragen, denn auch unter den Ratschenkindern gibt es eine Rangordnung, und es gilt: je lauter desto besser! Und es sind eben doch die großen und schweren Instrumente, die den meisten Krach machen, was die größeren und erfahreneren Kinder oder Jugendlichen natürlich wissen und sich so zum Anführer der Gruppe machen können. Denn auch das „Nachratschen“ wird nicht gerne gesehen, also wenn die Kleineren noch Lärm machen, während die Großen bereits abgesetzt haben. Oft gibt es wahre Familienstücke, die an die nächste Generation weitergegeben werden und dann besonders stolz getragen und gepflegt oder auch weiterentwickelt werden.
Die Österreichische UNESCO-Kommission nahm den Brauch 2015 als nationales immaterielles Kulturerbe auf, wodurch die Erhaltung, Bekanntmachung und Weitergabe einer Kulturtradition gefördert werden sollte. Wie sich das nun in pandemischen Zeiten wie unserer entwickelt, bleibt abzuwarten. Um aber auch im Kleinen etwas für diese schöne Tradition zu tun, gibt es unterschiedliche Anleitungen zum Selberbasteln, wie diese hier: https://ministranten.bistum-wuerzburg.de/fileadmin/Bistum_Folgeseiten/kja_Fachstelle_Ministrantinnenarbeit/karfreitagsratsche.pdf