In dieser Zeit des kulturellen Stillstandes fehlt vielen Menschen das reale Miteinander bei Gesang und Tanz. Auch die Arbeit der Volksmusik-Beratungsstellen des Bayerischen Landesvereins für Heimatpflege e.V., die grundsätzlich darauf zielt, menschliche Begegnungen mit Musik zu ermöglichen, leidet darunter.
Seit Ausbruch der Pandemie nämlich gelten das gemeinsame Singen und auch das Miteinander-Musizieren als potenzielles Gesundheitsrisiko. Und so musste der Fachbereich Volksmusik im Landesverein eine Vielzahl seiner Veranstaltungen, darunter zahlreiche Singabende und Tanzkurse, absagen.
„Seit der Einrichtung der ersten Volksmusikberatungsstelle im Jahr 1978 standen Fortbildungsangebote und gemeinschaftliche Sing- und Tanzkurse im Fokus der Vermittlung von Volksmusik. Die Corona-Pandemie trifft diese Formen von (musikalischer) Geselligkeit besonders schwer“, erläutert Prof. Dr. Günter Dippold, stellvertretender Vorsitzender des Landesvereins und Bezirksheimatpfleger von Oberfranken.
Als Reaktion auf diese außergewöhnliche Situation erarbeiteten die Mitarbeiter in den regionalen Beratungsstellen verschiedene Online-Angebote, die sich beispielsweise auf Youtube finden lassen, darunter das Projekt „Liederlust“ als Format zum Liederlernen und Mitsingen von Dagmar Held aus Schwaben und das Projekt „Kulturvermittlung“ als Format zur digitalen Vermittlung von Lied, Musik und Tanz von Carolin Pruy-Popp aus Franken.
Franz Josef Schramm, Leiter der Beratungsstelle für Volksmusik in Franken (Eibelstadt), bringt Menschen bei seinen Online-Singstunden zusammen.
Franz Josef Schramm, Leiter der Beratungsstelle für Volksmusik in Franken (Eibelstadt), bietet nun seit Ende Januar wöchentlich eine fränkische Online-Singstunde an. Er möchte damit ermöglichen, dass sich Gleichgesinnte – wenigstens virtuell – wieder treffen und gemeinsam singen können.
Für die Singstunden kann man sich kostenfrei anmelden und erhält anschließend per E-Mail den Link und den notwendigen Zugangscode für die sogenannte „Sing-Konferenz“ über die Plattform „Senfcall“, eine von Studierenden der Universitäten Darmstadt und Karlsruhe ehrenamtlich betriebene Plattform.
„Das Ganze ist als eine Art volksmusikpflegerischer Hausbesuch zu verstehen. Die Menschen singen zu Hause – alleine, als Paar oder in der Familie – zusammen mit mir oder einer anderen Vorsängerin bzw. einem anderen Vorsänger“, erklärt Franz Josef Schramm.
Auf diese Weise kann man schon einmal die ein wenig „eingerostete Stimme“ trainieren oder auf der Ukulele oder dem Akkordeon üben, hat der Singleiter inzwischen erfahren. Das Bedürfnis, endlich wieder gemeinsam zu singen und zu musizieren, sei groß, führt Schramm aus. Viele der Teilnehmer sind aktive Chorsänger oder spielen eigentlich regelmäßig in Musikkapellen. Nach seinen ersten Singstunden haben Schramm viele begeisterte Zuschriften erreicht:
„Vielen Dank für das wundervolle Angebot. Ich habe richtiggehend das ‚Wunder‘ des Singens an der Wirkung auf meine Stimmung gespürt. Besser als jedes pharmazeutische Antidepressivum. Deshalb möchte ich mich für alle weiteren Online-Singstunden anmelden,“ schreibt im Nachklang ein Teilnehmer.
Und in einer anderen Nachricht heißt es:
„Wir sind überglücklich, es hat uns sehr gut gefallen. Sie ging richtig ins Herz rein, die grad zu Ende gegangene Singstunde. Ich sag‘ einfach: eine Glücksstunde. Es hat so gutgetan, danke für die super Idee. Dürfen wir uns als ‚Dauerabonnenten‘ anmelden?“
Auch über die digitalen Kanäle kommt beim Singen Verbundenheit auf und ein Gemeinschaftsgefühl ist erlebbar. Das gemeinsame Musizieren wirkt dabei fast therapeutisch.
Die Singstunden finden vorerst bis Ende März immer freitags ab acht Uhr abends für eineinviertel Stunden statt, eine vorherige Anmeldung bei fj.schramm@heimat-bayern.de ist obligatorisch. Mitglied im Landesverein muss man dazu nicht sein. Über das umfangreiche – nun auch digitale – Programm, auch der anderen Volksmusik-Beratungsstellen, kann man sich auf der Internetseite www.heimat-bayern.de informieren.
Hintergrund
Der Bayerische Landesverein für Heimatpflege e.V. kümmert sich seit seiner Gründung im Jahr 1902 um Heimat-, Denkmal- und Baupflege, Volksmusik, Bräuche, Trachten und Mundart in Bayern. Das Leitbild des Landesvereins, die Heimat zu schützen, bedeutet nicht nur, sie zu bewahren und zu pflegen, sondern sie auch verantwortungsvoll weiterzuentwickeln.
Der Landesverein unterhält in Bayern fünf Beratungs- und Forschungsstellen mit der Aufgabe, überliefertes musikalisches Liedgut zu sammeln und für die Gegenwart nutzbar zu machen. Die Stellen unterbreiten ein Bildungsangebot, das beim Offenen Singen, Wirtshaussingen, bei Fortbildungstagen und vielen weiteren Veranstaltungen Menschen aller Altersstufen zusammenbringt und sie ermutigt, sich musikalisch auszudrücken und dadurch Lebensfreude zu erfahren.