Wahrscheinlich hatten es die Eltern schon geahnt, als sie ihrer Tochter den Namen Sylvia gaben. Die studierte Diplom-Ingenieurin der Fachrichtung Innenarchitektur hat längst ihre Berufung und Leidenschaft in der Bearbeitung von Holz gefunden. Silva, lateinisch für ‚Wald‘, es konnte für Sylvia Gnatz wohl gar keinen anderen Weg geben. Raus aus der Stadt, rein in den Wald. Mit ein paar kleinen Umwegen oder besser gesagt Abzweigungen.
Schon zu Beginn ihres Studiums in Rosenheim Ende der 1980er Jahre hat die gebürtige Landshuterin ihre Faszination für den Werkstoff Holz entdeckt, im Fach Materialkunde. Die erste Aufgabenstellung ihres damaligen Professors, Dr. Endres, stellte sogleich die Weichen hin zur zukünftigen Passion für das Arbeiten mit Holz. Die Studierenden sollten ein Objekt zum Thema Sitzen anfertigen. Die meisten Kommilitonen von Sylvia Gnatz kreierten Stühle oder Ähnliches, sie selbst aus einem Stück Linde ein Objekt, das für sie das weibliche Geschlecht symbolisiert.
Professor Endres, selbst angesehener Bildhauer, erkannte ihre Begabung und
förderte sie daraufhin im Weitermachen, im Spiel mit dem Rohstoff Holz.
Sylvia Gnatz mit ihrem ersten selbst gefertigten Holzobjekt
Sylvia Gnatz bearbeitet heimische Hölzer, Holstücke von der Ulme, Kastanie, Zwetschge oder Linde, die sie auf ihrem eigenen Grundstück findet oder die ihr benachbarte Bauern vorbeibringen. Dabei handelt es sich dann meistens um sehr große Holzfragmente, um Stämme. Ihre Skulpturen haben durchweg etwas – wie sie es selbst nennt – „Organisches“. Als würde die Künstlerin eine Art Knochengerüst eines Baumes freilegen. Als Bildhauerin nimmt sie Teile ihres
Werkstoffes weg, während Künstler bei Plastiken oder Keramiken etwas hinzufügen. Die Arbeit an einem Objekt ist für Sylvia Gnatz ein permanenter Prozess. „Jedes Teil ist zu jeder Zeit fertig“, sagt die Künstlerin. „Man kann jederzeit aufhören, aber auch nach Jahren ein Objekt wieder weiterverarbeiten. Dann ist es wieder fertig.“ Und so wird aus einer Statue vielleicht irgendwann nur ein Streichholz übrig bleiben. Sylvia Gnatz verarbeitet in ihrem Schaffen auch persönliche zwischenmenschliche Erfahrungen. Gerade von einem Unfall wieder genesen, erlebte sie im Krankenstand nicht immer menschliche Solidarität, gerade was ihre Aufträge als freiberufliche Grafikerin betraf. Ihr persönliches „Heimvoodoo“ setzte sie künstlerisch auto-therapeutisch in einer Klapperschlange aus Holz um.
"Der Wächter", der vielleicht einmal zum Streichholz weiterverarbeitet wird
Nach erfolgreichem Abschluss ihres Studiums erwarb Sylvia Gnatz mit ihrem heutigen Mann und zwei Freunden Angang der 1990er Jahre ein altes Bauernhaus mit 1.000 Hektar Grund zwischen Fürstenstein und Neukirchen vorm Wald. Ganz nach guter 68er Tradition hatte man große Pläne, träumte von Freiheit, Kunst und Liebe in der eigenen Künstlerkommune. Nachdem sich die beiden Freunde bald verabschiedet hatten, machte sich der Mann von Sylvia Gnatz über drei Jahre an den Wiederaufbau des Hauses, während sie selbst als Grafikerin den Lebensunterhalt verdiente. Auch heute ist sie, wenn sie nicht gerade in ihrer Werkstatt ein Stück Holz bearbeitet, als freiberufliche Grafikerin tätig.
Vom 26. Juli bis 09. August können Holzskulpturen von Sylvia Gnatz in der Ausstellung Begegnungen 2015 im KunsTraum am 3Sesselwald von Rosemarie Wurm in Neureichenau besichtigt werden.