Überzogen, unverhältnismäßig und in den Details nicht nachvollziehbar – die regionale Wirtschaft übt harte Kritik an den verschärften Corona-Regeln im November. Alexander Schreiner, der Hauptgeschäftsführer der IHK Niederbayern, wird deutlich: „Die Infektionen werden nicht in der Wirtschaft gemacht. Alle Unternehmen haben in den vergangenen Monaten viel Zeit, Geld und Aufwand in ihre Hygienekonzepte investiert und haben ihre Mitarbeiter, Gäste und Kunden erfolgreich geschützt. Mit den jetzigen Beschlüssen wird das alles im Handstreich über Bord geworfen. Ausgerechnet ohnehin schon stark angeschlagene Branchen wie Gastronomie und Beherbergung oder Unternehmen aus Bereichen wie Messe, Reise, Sport, Event oder Freizeit werden erneut in den Lockdown gezwungen. Das geht an die Substanz und kommt einem politisch verordneten Berufsverbot gleich.“ Die Folgen reichen weit über die unmittelbar betroffenen Betriebe und Branchen hinaus und betreffen die gesamte Wirtschaft in Niederbayern, betont der IHK-Hauptgeschäftsführer: „Beispielsweise zeigt sich gerade in unserer Region, wie stark der Tourismus als Querschnittsbranche wirkt. Von Handel über Dienstleistungen bis Industrie sind die Unternehmen sehr eng miteinander vernetzt. Ein zugesperrtes Hotel benötigt keine Lieferungen aus dem Großhandel, gibt keine Wäsche an den Textildienstleister, nimmt kein Bier der regionalen Brauerei ab, beherbergt keine Reisegruppe des benachbarten Busreiseunternehmens und schickt keine Gäste zum Einkaufen in die Innenstadt. Auch ein sogenannter ‚Teil-Lockdown‘ trifft die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite. Damit stehen Unternehmerexistenzen und Arbeitsplätze auf dem Spiel.“
IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner
Schreiner belegt das mit der Auswertung der jüngsten Konjunkturumfrage der IHK sowie weiteren Rückmeldungen aus den Betrieben: „Jetzt tritt das ein, was uns die Unternehmen als eines der größten Risiken für die Erholung der Wirtschaft genannt haben: ein Einbruch der Verbraucherlaune.“ Er berichtet von Rückmeldungen aus niederbayerischen Handelsunternehmen, die – obwohl eine Öffnung unter Auflagen möglich ist – ihr Geschäft im November komplett zusperren möchten: „Mit dem zu erwartenden schlappen Umsatz lassen sich die anfallenden Kosten nicht einmal ansatzweise decken. Ob diese Betriebe ihre Türen je wieder öffnen, steht deutlich in Frage.“ Ähnliche Beispiele schildert Schreiner aus Hotellerie und Gastronomie, weitet aber gleichzeitig den Blick: „Die eingeleiteten Maßnahmen ziehen jetzt auch die Unternehmen mit runter, die bisher noch einigermaßen unbeschadet durch die Krise gekommen sind. Sie rechnen damit, dass ihre größten Schwierigkeiten erst noch kommen werden. Solche politischen Entscheidungen nehmen den Betrieben jegliche Planungssicherheit. Das ist Gift für die Wirtschaft.“ Ein weiterer Kritikpunkt sind ihm zufolge die weiterhin unklaren Regeln, die zu einer nicht nachvollziehbaren Ungleichbehandlung der Unternehmen führen. „Von einem Fitnesscenter oder einem Kosmetikstudio geht kein größeres Risiko aus als von einem Frisörsalon – alle drei bieten funktionierende Hygienekonzepte. Die einen dürfen aber öffnen, die anderen nicht. Wir fordern, endlich mehr auf die Eigenverantwortung der Betriebe zu setzen, anstatt alles mit einer Verordnung regeln zu wollen, die sich in den Details selbst widerspricht.“
Dass im Gegenzug zu den einschneidenden Maßnahmen den betroffenen Unternehmen nun milliardenschwere Hilfen zukommen sollen, ist für Schreiner begrüßenswert, aber nicht die alleinige Lösung: „Das kann kein Dauerzustand sein. Die niederbayerischen Unternehmer wollen keine Bittsteller sein – sie wollen ihr Geschäft betreiben, das sie mit Fleiß, Investitionen und Herzblut aufgebaut haben. Ein Zuschuss für entgangenen Umsatz kann zu spät kommen, wenn es das Unternehmen gar nicht mehr gibt. Wenn diese Milliardenhilfen in der Zukunft durch Unternehmenssteuereinnahmen gegenfinanziert werden sollen, müssen wir darauf achten, die Betriebe wieder handlungsfähig zu machen“, bekräftigt der IHK-Chef.