Die Corona-Pandemie hatte im April mit einem weitreichenden Lockdown die Wirtschaft in weiten Teilen aus den Angeln gehoben. „Bei aller gebotenen Vorsicht, die man mit Blick auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten walten lassen muss, ergeben die aktuellen Konjunkturindikatoren der amtlichen Statistik und verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute sowie unsere Gespräche mit regionalen Unternehmen insgesamt ein positives Signal für eine Erholung der Wirtschaft“, so IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner. Allerdings dürfe man bei solchen Prognosen nicht außer Acht lassen, dass es in allen Branchen in Niederbayern coronabedingt zahlreiche Betriebe gibt, die in großen Schwierigkeiten stecken. Das differenzierte Bild gehe aber soweit, dass ein Teil der Unternehmen in der Krise sogar wachsen konnte und dieses Jahr sehr wahrscheinlich mit einem positiven Ergebnis abschließen wird.
Deutlich macht das ein Blick auf die einzelnen Branchen in Niederbayern: Der Bau ist relativ unbeschadet durch die Krise gegangen und legte bei den Umsatzzahlen sogar zu. Etwas schwieriger zeigt sich die Situation in der Industrie, die im Juni einen Umsatzrückgang von 8,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu verkraften hatte. Im Vergleich zu April und Mai zeigt sich aber bereits eine deutliche Erholungstendenz. Exportrückgänge und Herausforderungen im Fahrzeugbau schlugen besonders zu Buche. Da Niederbayern hier überproportional stark aufgestellt ist, lag der durchschnittliche Umsatzrückgang des ersten Halbjahrs sogar bei 22,1 Prozent, während es in Bayern „nur“ 15,2 Prozent waren. Der Abwärtstrend scheint allerdings vorerst gebremst zu sein.
IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner
Auch im Einzelhandel ist das Bild gemischt: Speziell Online- und Lebensmittelhandel konnten im ersten Halbjahr 2020 zulegen. Sportausrüstungen und Heimwerkerbedarf waren ebenfalls stärker gefragt, während andere stationäre Handelsbereiche zugleich massiv unter Hygieneregelungen und schwacher Nachfrage leiden. Insgesamt gibt es ein leichtes Umsatzplus zum Vorjahr. Die Dienstleister kommen vergleichsweise gut durch die Krise; die Möglichkeiten von Home-Office und Telefonberatungen sind hier besonders gut. Der Tourismus brach erst völlig ein, mittlerweile erholt sich die Branche partiell wieder gut. Ferienwohnungen und Campingplätze stehen hoch im Kurs. Der Bayerische Wald ist stärker gefragt als die Thermen und Städtereisen. Weiter extrem zu kämpfen haben Bars, Diskotheken und Kneipen sowie der weite Veranstaltungssektor. Es müsse auch weiterhin alles getan werden, um den schwer betroffenen Unternehmen in allen Sparten die notwendige Unterstützung zu gewähren, fordert Schreiner.
Als vorsichtig optimistisches Zwischen-Fazit kann Schreiner zufolge aktuell gezogen werden: Bleiben die Infektionszahlen niedrig, dann zeichnet sich langsam eine Erholung ab. „Aktuelle Befürchtungen bezüglich einer zweiten Welle durch Urlaubsheimkehrer bewahrheiten sich hoffentlich nicht“, sagt der IHK-Hauptgeschäftsführer. „Wenn die bisher greifenden Hygienemaßnahmen konsequent weiter verfolgt werden, dann sollte ein weiterer Lockdown unbedingt zu vermeiden sein.“ Schreiner appelliert an Vernunft und Verantwortung. „Eine weitere Lähmung der Wirtschaft wäre kaum zu verkraften. Dabei geht es um weit mehr als um Unternehmen, Statistik und Umsatzzahlen. Es geht um Arbeitsplätze, um Sicherheit, um Ausbildung und somit um die langfristigen Chancen für unsere Wirtschaftsregion.“