Das Geräusch einer Glocke gehört zu uns und unserer Kultur, das stellen wir gar nicht in Frage. Aber wer ist eigentlich dafür zuständig, dass zum Beispiel im Kirchturm oben die Glocke hängt und läutet? Verantwortlich dafür ist der/ die Glockengießer*in – ein Berufsbild, das uns gar nicht so selbstverständlich in Gedanken ist, obwohl Glockengeläut uns doch durch den Tag hinweg begleitet.
Rudolf Perner (links im Bild), der uns etwas zu diesem eher unbekannten Beruf erzählt, betreibt eine Glockengießerei in Passau – eine der wenigen in Deutschland und eine mit einer langen Geschichte. Seit über 300 Jahren beschäftigt sich die Familie Perner nun mit dem wichtigen Handwerk – zahlreiche Glocken auf der ganzen Welt kann man zu ihnen zurückverfolgen. Rudolf Perner ist also sozusagen in den Beruf hineingeboren. Trotzdem hat er sich genau überlegt, ob er das auch wirklich machen will – schließlich ist die Berufswahl eine der wichtigsten Entscheidungen im Leben eines Menschen. Da sich hier aber für ihn eine konkrete Möglichkeit im Familienbetrieb ergeben hat, hat er also diesen Beruf gewählt und ihn erlernt.
Die Ausbildung ist relativ klassisch aufgebaut. Durch einen Betrieb und die Berufsschule, die sich im Block abwechseln, lernt man die Grundlagen für dieses Handwerk. Berufsschulen dafür gibt es zum Beispiel in Pegnitz oder Stuttgart. Auch Rudolf Perner hat im Laufe der Jahre sechs Lehrlinge ausgebildet – „und aus denen allen is was woan“. Der Arbeitsplatz ist eigentlich sicher – schließlich gibt es wenig Nachwuchs, auch wenn das Interesse an diesem Beruf in letzter Zeit wieder etwas angestiegen ist.
Doch was sollte man mitbringen, wenn man Glockengießer*in werden will und lernt man da so?
Soweit Rudolf Perner berichtet, sollte schon ein gewisses Interesse am Handwerk und am Maschinenbau da sein. Lehrlinge sollten gern mit den Händen arbeiten, müssen sich drauf einstellen, dass es trotz Hilfsmittel wie z.B. einem Kran zu schwerer körperlicher Arbeit kommt, sollten aber auch fingerfertig sein und dürfen auch keine Angst vor Feuer oder Höhe haben, wenn es dann darum geht, eine Glocke zu gießen oder auf Montage unterwegs zu sein. Allerdings ist der Beruf so viel mehr: „Eine Mischung aus verschiedensten Naturwissenschaften wie Physik und Chemie, aber auch Musik, Architektur, Kunstgeschichte, Dynamik und Statik“, beschreibt Rudolf Perner das breitgefächerte Berufsbild. Dann hat man auch noch ständig mit anderen Menschen zu tun, schließlich verhandelt man zum Beispiel mit den Kunden, wenn man eine neue Glocke plant.
Apropos – wer sind eigentlich so die Kunden, die eine Glocke in Auftrag geben?
Meistens sind es natürlich die Kirchengemeinden, Kommunen oder Städten, die sich an eine Glockengießerei wenden, aber genauso gibt es Privatleute, die sich eine Glocke anschaffen wollen. Ein berühmtes Beispiel der Familie Perner ist eine Glocke, die eigentlich an eine Privatperson in den USA gegangen ist, nun aber im Heritage Museum in Plymouth steht – also genau dort, wo die ersten Siedler mit der Mayflower nach Amerika gekommen sind.
Die Bereitschaft, ins Ausland zu gehen, muss auch vorhanden sein, gibt Rudolf Perner zu. Schließlich ist dies ein internationales Geschäft und oft fährt man auch selbst zur Montage ins Ausland. Lehrlinge sollten also auch flexibel sein, aber vor allem lernen, mitzudenken und selbst über den Tellerrand zu schauen. „Warum schmilzt Metall? Was ist Lehm und wie mische ich ihn zusammen? Wie trägt man ihn richtig auf? Was kann ich verbessern, wenn ich an einer Glocke arbeite?“ Das sind Beispiele, die der Glockengießer sich im Laufe seiner Ausbildung gestellt hat und die sich auch jeder Lehrling stellen sollte.
Eine Glocke zu gießen – das ist nicht nur ein einziger Arbeitsschritt, sondern da gehören ganz viele Kleinigkeiten gemacht, die dafür sorgen, dass das auch gelingt und man im Laufe dieses Prozesses wirklich etwas schafft. „Das ist das, was am meisten Spaß macht – die Glocke ist gegossen und du schlägst sie das erste Mal an und hörst den Ton“, sagt Rudolf Perner mit leuchtenden Augen.
Die Familie Perner hat im Laufe der Jahre viele besondere Projekte fertiggestellt. Dazu gehört zum Beispiel die Papstglocke oder die Glocke vom Kloster Scheyern mit 10,1 Tonnen – die größte Glocke, die die Perners bisher angefertigt haben. Die reine Fertigungszeit einer Glocke beträgt zwischen zwei Monaten bis hin zu einem dreiviertel Jahr – natürlich auch abhängig von der Größe. So etwas schafft man allerdings nur im Team. Verschiedene Menschen mit speziellen Fähigkeiten arbeiten an einer solchen Glocke, aber in der Glockengießerei wechselt man auch durch. „Schließlich soll jeder mal alles machen“, sagt der Chef augenzwinkernd, da hält er sich schließlich ebenfalls daran. Eine seiner wichtigsten Aufgaben ist beispielsweise das Stimmen und das Nachkorrigieren des Klangs.
Montage einer fertigen Glocke
Man vergisst nämlich schnell, dass zu dem Beruf nicht nur das Fertigen einer Glocke gehört. Das Team der Glockengießerei Perner kümmert sich auch um das Zubehör, den Glockenstuhl, die Montage, die Uhr mit ihren Zifferblättern – sie sind auch da, wenn es zu Reparaturarbeiten oder Wartung kommt. Einen typischen Alltag als Glockengießer*in gibt es deshalb übrigens nicht wirklich. Es kommen immer wieder neue Aufgaben dazu – man schaut sich mal den Turm an, plant die Montage, bestellt Lehm, dokumentiert die Fortschritte – und beschäftigt sich eben mit der Glocke.
Wer sich übrigens selbst mal ein Bild von diesem abwechslungsreichen und spannenden Beruf machen möchte, kann mal ein Praktikum in der Glockengießerei machen. Abgesehen davon sucht Rudolf Perner immer wieder mal jemanden für den Kundendienst, der sich von zuhause aus um Kunden im Umkreis kümmert.