Anfang Januar trat das neue Angehörigen-Entlastungsgesetz der Bundesregierung in Kraft. Der Aufklärungsbedarf bei Betroffenen ist groß – das stellen die Mitarbeiter der Sozialverwaltung im Bezirk genauso fest wie die VdK-Geschäftsstellen in Freyung-Grafenau und Regen. Deshalb lud Bezirkstagspräsident die beiden Kreisgeschäftsführer, Brigitte Binder und Helmut Plenk, zum Fachgespräch nach Freyung ein.
„Wir verzeichnen beim Bezirk viele Anfragen, deshalb ist es Zeit, die Situation öffentlich zu erklären und über die Neuerungen im Zuge des neuen Gesetzes zu informieren“, so Heinrich, wofür ihm die beiden VdK-Kreisgeschäftsführer dankten. Denn auch sie sehen großen Informationsbedarf.
100.000 Euro-Grenze wird oft falsch verstanden
Zu Irritationen trägt vor allem eine Zahl bei, die im Gesetz steht: 100.000 Euro. Wer nämlich als Angehöriger eines Pflegebedürftigen diese Jahres-Einkommensgrenze nicht überschreitet, für den gilt, dass der Staat die fehlenden Kosten für die Heimunterbringung bezahlt (sogenannte „Hilfe zur Pflege“ des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch).
Aber: Dies gilt erst dann, wenn alle – schon bisher üblichen – Überprüfungen zu dem Schluss kommen, dass der Pflegebedürftige kein Vermögen (mehr) hat, das für die Heimunterbringung verwendet werden kann. Denn trotz der Gesetzesänderung muss grundsätzlich nach wie vor der Pflegebedürftige erst einmal selbst für die Kosten aufkommen.
Grundsätzlich muss der Pflegebedürftige selbst aufkommen
Helmut Plenk erklärte die Vorgehensweise: „Zunächst muss alles offengelegt werden: Rente, Bausparverträge und ähnliches. Danach wird das Barvermögen geprüft, also wie viel auf dem Konto des Betroffenen liegt. Dabei darf eine Einzelperson 5.000 Euro ‚behalten‘, ein Paar 10.000 Euro.“ Und vor allem: Die Kontobewegungen werden ab dem Zeitpunkt der Heimeinweisung zehn Jahre zurück überprüft. „Wenn also die Mama ins Heim kommt und sie hat vor fünf Jahren einen größeren Betrag an eines ihrer Kinder überwiesen, gilt dies als Schenkung und das Geld muss für die Heimunterbringung herangezogen werden, bevor der Staat bezahlt“, warf Brigitte Binder ein und Helmut Plenk stellte heraus: „Hier ist der Antragsteller in der Beweispflicht. Wenn das Kind also sagt: ‚Die Mama war schon dement, ich weiß nicht, was mit dem Geld passiert ist‘, dann hat das vor dem Gesetz keine Wirkung. Der Staat kann das Geld einfordern."
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (r.) mit den beiden VdK-Kreisgeschäftsführern Brigitte Binder (Freyung-Grafenau) und Helmut Plenk (Regen).
Zehn-Jahresgrenze ist ausschlaggebend
Die Zehn-Jahresgrenze gilt auch für die Überschreibung eines Hauses. Und hier wird es meist spannend, wie alle drei aus der Praxis wissen. Denn auch der Notarvertrag wird genau unter die Lupe genommen. „Kürzlich hatten wir einen Fall, in dem ein Nutzungsrecht für einen Wald geschrieben war. Da der Wald sehr groß war, hat auch dieses Recht einen Wert – und der muss herangezogen werden“, erklärte Olaf Heinrich. Auch andere Rechte, die bei einer Hausübergabe im Vertrag festgehalten werden, haben einen finanziellen Wert, wie Helmut Plenk betonte. Gerade bei landwirtschaftlichen Betrieben kommen solche Vertragsdetails häufig vor.
Die Menschen seien recht erfinderisch, wenn es um dieses Thema gehe. „Zum Beispiel, wenn ein Haus innerhalb der Zehn-Jahresgrenze weit unter Wert verkauft wird. Auch so etwas wird überprüft und gegebenenfalls eine Rückabwicklung eingeleitet.“
Es sei wichtig, so Heinrich, das Ziel des Gesetzes zu verstehen: „Es wurde vor allem eingeführt, um Härtefälle zu vermeiden. Früher mussten Kinder, die beispielsweise verstoßen wurden, jahrelang keinen Kontakt zu den Eltern hatten oder gar von ihnen misshandelt wurden, für die Pflege aufkommen, wenn das Vermögen der Betroffenen nicht mehr reichte. Trotz dieser gewollten Entlastung durch den Gesetzgeber gilt aber nach wie vor der Grundsatz, zunächst das eigene Vermögen einzusetzen bevor die Allgemeinheit einspringt.“
Das empfehlen die Experten
Was also empfehlen die Experten? „Sich umfassend informieren, den Notarvertrag genau durchsehen, frühzeitig Jung und Alt an einen Tisch bringen und sich mit den eigenen Rechten, aber auch den Pflichten auseinandersetzen.“ Außerdem, so Plenk, sei es von sehr großem Vorteil, wenn die Chemie zwischen den Geschwistern stimmt. Wenn es am Ende beispielsweise um einen kleinen Beitrag pro Kind für die Pflege gehe, dann sei es wesentlich sinnvoller, dies zu leisten, anstatt die Prüfung beim Sozialamt anzustreben. „Diese ist erstens sehr aufwändig und zweitens: Wenn irgendeine Form von Vermögen da ist, dann hilft es eh nichts.“
Informationen zum Thema finden sich auf der Internetseite www.bezirk-niederbayern.de. Dort sind Termine aufgeführt, zu denen man sich in den einzelnen Landkreisen beraten lassen kann. Terminvereinbarung unter Telefonnummer 0871 97512-450 (Dienstag bis Freitag).