einem normalen Tag besucht der 13-Jährige die siebte Klasse der Mittelschule Büchlberg. Heute jedoch lernt er das St.-Johannis-Spital in Passau kennen. Er erlebt dort einen Tag lang hautnah, was es heißt, in einem Pflegeberuf tätig zu sein. Älteren Menschen hilft er beim Essen, unterhält sich mit ihnen. Eine neue Berufsperspektive entsteht.
Am „Boys‘ Day“ erhalten Jungen wie er die Möglichkeit, eine andere Seite an sich zu entdecken. Viele von ihnen können sich gut vorstellen, einen typischen „Männerberuf“ zu ergreifen: Kfz-Mechatroniker, Industriemechaniker oder Elektroniker stehen ganz oben auf ihrer Liste. Alten- und Krankenpfleger oder Erzieher haben sie hingegen fast nie auf dem Radar. Die Initiative „Neue Wege für Jungs“ will das ändern. Seit 2011 führt sie bundesweit den Praktikumstag durch – zehn Jahre nach Einführung des „Girls‘ Day“, dem Pendant für Mädchen. Der Verein „Gemeinsam leben und lernen in Europa“ leistete Pionierarbeit auf diesem Gebiet: Schon fünf Jahre vorher gab es den ersten „Aktionstag für Jungs“ – damals ein Novum in Ostbayern.
Dieses Jahr organisiert „Gemeinsam leben und lernen in Europa“ den Boys‘ Day bereits zum achten Mal. 75 Jungs sind diesmal mit dabei, um sich ein ganz persönliches Bild zu machen. In neun Betrieben in der Stadt und im Landkreis Passau erfahren sie, wie der Berufsalltag in sozialen und pflegerischen Berufen wirklich ist. Die treibende Kraft dahinter ist Perdita Wingerter, Geschäftsführerin des Vereins: „Mit meiner Arbeit möchte ich Chancengleichheit fördern. Das bedeutet natürlich auch hinzuschauen, wo Männer und Jungs benachteiligt sind“, erläutert sie ihre Ziel. Besonders im sozialen Bereich traue man Jungs weniger zu und fördere ihre Fähigkeiten nur unzureichend, so Wingerter. „Es ist deshalb besonders wichtig, Jungen soziale und Haushaltsfähigkeiten aktiv zu erschließen. Darin liegt die Chance auf Öffnung der sozialen Berufe.“
Zurück im St.-Johannis-Spital: Bei der Reflexionsrunde wird klar, dass die Jungen generell einen guten Eindruck von Senioren haben: „Sie sind sehr freundlich“, meint einer von ihnen. Es ist zwar weiterhin nicht sein Traum, in der Pflege zu arbeiten, „aber es ist immerhin eine Möglichkeit“, formuliert er vorsichtiges Interesse. Fabian Meisinger könnte sich dagegen vorstellen, als Pfleger sein Geld zu verdienen: „Meine Mutter ist selbst in diesem Bereich tätig“, erklärt der Mittelschüler. Diese persönliche Verbindung mit einem sozialen Beruf fehlt den meisten seiner Klassenkameraden. Doch alle haben nach dem heutigen Tag den Respekt vor diesem Job. „Es ist wirklich eine harte Arbeit“, bekennen sie einmütig.
Den Boys‘ Day vorzubereiten war heuer Aufgabe von Anna Blumenthal. Schulen und Betriebe kontaktieren und zum Mitmachen bewegen, die Öffentlichkeit informieren und die teilnehmenden Jungen auf die Einsatzstellen verteilen waren dabei nur wenige der angefallen Tätigkeiten. Auf die Frage, wie ihr der Job gefallen hat, lächelt die ehrenamtliche Praktikantin des Vereins: „Er hat mir sehr viel Spaß gemacht. Besonders gefallen hat mir, dass ich ein paar Schüler während ihres Praktikums besuchen konnte, um mir noch einmal ein eigenes Bild vom Ergebnis meiner Arbeit zu machen. Ich war sowohl vom Engagement der Betriebe als auch vom Interesse der Jungs restlos begeistert.“
Finanziell wird der Aktionstag für Jungs auf Bundesebene durch das Familienministerium gefördert, die regionalen Initiativen erhalten lediglich eine Internetplattform sowie Werbematerialien zur Verfügung gestellt. Für die Finanzierung der Organisationsarbeit vor Ort musste der Verein selber Mittel akquirieren. Perdita Wingerter erklärt dazu: „Es ist sehr schwierig, Geldgeber zu finden. Umso mehr danken wir unseren Unterstützern.“
Kontakt:
Verein „Gemeinsam leben und lernen in Europa e.V.“
Leopoldstr. 9
94032 Passau
Tel. 0851-2132740
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