Die gemeinsamen Unternehmungen von Schülern aus Prachatice und vom Gymnasium Freyung sind seit mehr als einem Jahrzehnt nicht mehr aus dem Schulterminkalender wegzudenken.
Nach einer gemeinsamen Erkundung des südböhmischen Prachatice im ersten Schulhalbjahr, folgten nun die tschechischen Schüler der Einladung der Freyunger Gymnasiasten in den Bayerwald und verbrachten erneut zusammen einen informativen und unterhaltsamen Vormittag. Sie hörten u. a. von bayerisch-böhmischen Geistergeschichten und tierischen Grenzgängern im Museum „Jagd Land Fluss“, bevor sie sich am Ende zu einer Schulhausführung am Gymnasium Freyung und einem gemeinsamen Mittagessen in der Schulmensa einfanden.
Tomáš Soumar (vorne von rechts), Michael Köberl, Marie Myšáková und Notburga Schreiner mit den am Austausch beteiligten Klassen aus Prachatice und Freyung.
Zunächst trafen sich alle in der Kreisbibliothek, wo die Jugendlichen und ihre Lehrer Tomáš Soumar und Marie Myšáková aus Prachatice sowie Michael Köberl und Tanja Wagner aus Freyung sehr herzlich von Leiterin Notburga Schreiner empfangen wurden. Sie freute sich, erneut eine Delegation aus Tschechien begrüßen zu dürfen und erinnerte an vergangene, grenzüberschreitende Veranstaltungen.
Den Auftakt bildete eine musikalische Darbietung der beiden Achtklässler Josef Wurm und Matthias Blob, die einen „Slowenischen Bauerntanz“ aufspielten.
Josef Wurm (links) und Matthias Blob (rechts) bereicherten die Veranstaltung musikalisch.
Dann berichtete Karl-Heinz Reimeier, Kreisheimatpfleger des Landkreises Freyung-Grafenau, seinen interessierten Zuhörern von der Geschichte der Region und las anschließend jahrhundertealte Geschichten aus der bayerisch-böhmischen Grenzregion vor. Marie Myšáková, die in Prachatice Deutsch und Tschechisch unterrichtet, übersetzte für die Gäste.
So hörten die Schülerinnen und Schüler von einer Heiligenstatue aus Chroboly, einer Nachbargemeinde von Prachatice, die nicht als Brennholz enden wollte und daher an Lichtmess in einen Brunnen sprang, ebenso wie von Wassermännlein, die eine neugierige Magd zu sich holten. Aber auch einige Weihraz-Geschichten, also Geschichten von armen Seelen, die in unserer Welt umherirren, schilderte Karl-Heinz Reimeier den jungen Leuten. Er erzählte von einer Katze, die einen Spaziergänger piesackte und sich schließlich in den Teufel verwandelte, des Weiteren von einem feschen Mädchen, das mit dem Teufel tanzte und tot niedersank, als sie sich dessen gewahr wurde. Aber nicht alle Weihraz-Geschichten gehen so schlimm aus! Karl-Heinz Reimeier erzählte daher auch von einer Lehrerin, die nach dem Ableben ihres Mannes, einem großen Vogelfreund, Besuch von Scharen von Vögeln in ihrem Garten bekam, und von einem Grafenauer, den eine helle Lichtkugel durch einen Wald geleitete und am Waldesrand mit der Stimme der verstorbenen Mutter des Mannes zu ihm sprach.
Karl-Heinz Reimeier beim Vorlesen seiner spannenden Weihrazgeschichten in der Kreisbibliothek.
Nach dieser mystischen Reise durch die Literatur- und Sagenwelt der bayerisch-böhmischen Grenzregion machten sich die Prachaticer Schüler mit ihren deutschen Austauschpartnern auf den Weg ins Schloss Wolfstein. Im dortigen Museum „Jagd Land Fluss“ teilten sich die Jugendlichen in sprachlich gemischte Gruppen auf und erkundeten, ausgestattet mit Audio-Guides, das Museum. Gemeinsam galt es, eine Rallye zu meistern, die die deutschen und tschechischen Schüler durch alle Bereiche des Museums führte. Beispielsweise mussten das Motto des Nationalparks in beiden Sprachen gefunden – „Natur Natur sein lassen“ auf Deutsch und „Přírodu nechat přírodou“ auf Tschechisch – und Fragen zu tierischen Grenzgängern wie dem Luchs und dem Wolf beantwortet werden. Auch das Lösungswort am Ende der Museumsrallye ergab sich zweisprachig: „Waidmannsheil“ auf Deutsch, „Lovu zdar“ auf Tschechisch.
Stolz zeigen die Freyunger Schülerinnen und die Prachaticer Schüler, was sie als Team bei der Museumsrallye schon herausgefunden haben.
So wie Geister und Tiere keine Landesgrenzen kennen, konnten die am Austauschprojekt beteiligten Jugendlichen beim vorletzten Programmpunkt, einer Führung durch das Schulhaus in der St.-Gunther-Straße in Freyung, etwas sie Verbindendes feststellen: Ihr Alltag als Schüler, die Ausstattung der Klassenzimmer und der Aufbau des Schulgebäudes sind an beiden Orten ziemlich gleich.
Auch beim letzten Programmpunkt herrschte nationenüberschreitendes Einverständnis: Beim gemeinsamen Mittagessen in der Mensa des Gymnasiums ließen sich alle gleichermaßen die Schnitzel mit Pommes und Ketchup schmecken.
Finanziert wurden das Mittagessen und die Busfahrt von dem Projekt „Schule ohne Grenzen“ der Euregio, für das im Landratsamt Freyung-Grafenau die Abteilung für grenzüberschreitende Partnerschaften verantwortlich zeichnet. Daher begleitete Thomas Rodler vom Landratsamt den Begegnungstag der deutschen und tschechischen Schülerinnen und Schüler.
Das nächste Treffen ist bereits in Planung. Noch dieses Schuljahr wollen die Freyunger und die Prachaticer gemeinsam Český Krumlov erkunden.