Zahlreiche geschichtsträchtige Häuser gibt es in Grafenau. Darunter auch die zwei Wirtshäuser, die wir heute vorstellen. Sie waren Ort des sozialen Miteinanders, des Geschäftemachens und natürlich auch des gemeinsamen Feierns, Essens und Trinkens. Zwei Gasthäuser mit langer Tradition und Familiengeschichte. Eines davon, der Gasthof Kellermann, existiert noch heute, wird aber nicht mehr von der Familie Kellermann betrieben. Am Standort des ehemaligen Gasthauses zur Post befindet sich heute das Sportgeschäft Fuchs.
Der Gasthof zur Post
Der Gasthof zur Post der Familie Setzer, die ursprünglich aus Waldkirchen nach Grafenau gekommen war, befand sich bis Anfang der 1970er Jahre samt Gastgarten und Brunnen am Standort des Sportgeschäftes Fuchs in der Hauptstraße.
Ingeborg Haidn, 83 Jahre alt, war bis zur krankheitsbedingten Aufgabe des Wirtshauses samt 24 Fremdenzimmern dort als Bedienung und Küchenhilfe beschäftigt. Seit etwa 1880 führte die Familie Setzer mehrere Generationen lang in dem Anwesen den Gastronomiebetrieb. „Erstes Haus am Platz nannte man das Gasthaus zur Post, da die Fremdenzimmer als erste in Grafenau mit Zentralheizung und fließend Wasser ausgestattet waren“, erzählt Ingeborg Haidn. Auch ihre Mutter und Tante arbeiteten für die Setzers. Sie berichteten ihr, dass der Name Gasthof zur Post der Tatsache geschuldet war, dass die Familie Setzer auch die Poststelle betrieb. Die Leute gaben im Wirtshaus ihre Briefe und Postkarten ab, der Knecht musste um drei morgens aufstehen und die Fracht mit der Pferdekutsche nach Passau bringen sowie die Post von dort wieder mit zurücknehmen.
Der frühere Wirt vom unteren Stadtplatz, Ferdinand Kellermann III., berichtet, im Setzer-Saal einst seinen Tanzkurs absolviert zu haben. Henriette Schmeller, 87 Jahre, vom gegenüber sich befindenden Uhren-, Schmuck- und Optikgeschäft, erinnert sich besonders gerne an die hervorragenden Schweinswürschtl. Und an die turbulenten Faschingsbälle im Saal. „Um Mitternacht sind wir immer runter in die Gaststube und haben gegessen. Derweil hat der Wirt oben im Saal den Parkettboden mit Paraffin gewienert, damit wir nach der Stärkung wieder ordentlich weitertanzen konnten.“ Auch viele klassische Konzerte, an denen sie aktiv als Violinistin teilnahm, sind der rüstigen Rentnerin in Erinnerung geblieben.
Der langjährige Geschäftsleiter im Rathaus, Willi Schindler, weiß noch um die gut-bürgerliche Küche von Max Setzer, seiner Frau Martha und seiner Schwester Amalie. Und er ist sich des Behördenstammtisches gegenwärtig, zu der Zeit, als Grafenau noch Standort eines Landratsamtes war. Regelmäßig trafen sich der Landrat, der Amtsleiter, der Polizeichef, der Veterinär und weitere hohe Beamte im Gasthof zur Post auf ein oder mehrere Biere der Brauerei Innstadt aus Passau.
Das Wirtshaus Kellermann
Das Wirtshaus am Stadtplatz 8, ehemals Hausnummer 19, findet seine erste urkundliche Erwähnung im Jahr 1554. Ein gewisser Christoph Simmerl erhielt 1685 die Bewilligung zum Wirtshausbetrieb. Die Familie Kellermann erwarb das Eigentum am Haus nebst kleiner Landwirtschaft im Jahr 1902. Es war Ferdinand Kellermann I., der zunächst 1890 nach Amerika ausgewandert war, 1893 aber aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten zurückkehrte. Und Anfang des 20. Jahrhunderts in Grafenau sein Wirtshaus eröffnete, das knapp 100 Jahre oder drei Generationen, bis 1996, durch die Familie Kellermann geführt wurde. Es war ein Landwirtshaus, in dem sich die Bauern trafen, Kontakte knüpften, ihren Viehhandel besiegelten, nachdem die Tiere am Bahnhof verladen waren. Bis 1972 bestand der Altlandkreis Grafenau, da kamen die Leute aus den angrenzenden Gemeinden mit dem Bus in die Stadt. Montag, Mittwoch und Freitag war Behördentag, da tauschte man danach im Wirtshaus die Neuigkeiten aus. Das Wirtshaus Kellermann war dazu gut gelegen, gleich in der Nähe der Haltestelle der Postlinie.
„Mein Wohnzimmer war die Gaststube“, sagt Ferdinand Kellermann III., der das Wirtshaus von 1975 bis 1996 führte. Im Nebenzimmer der Gaststube machte er seine Hausaufgaben. Geboren 1940, erlebte er bereits als kleines Kind, wie im kleinen Saal im 1. Stock französische Kriegsgefangene bis zu ihrer Freilassung 1945 ausharren mussten. Und auch nach Kriegsende war der Saal von Soldaten belegt, die nicht in ihre ursprüngliche Heimat zurück konnten. Kellermann erinnert sich an Familien, Heimatvertriebene aus Schlesien, die in den wenigen Fremdenzimmern auf ein neues Leben an einem noch unbekannten Ort hofften.
Ferdinand Kellermann II. war nicht nur Wirt, sondern auch Metzger, wie sein Sohn später auch. Immer schlachteten sie beim Kellermann für den Hausgebrauch selbst. Im Wirtshaus gab es traditionelle Leckerbissen wie gebackenes Kalbshirn, Fleischstreifen in der ausgehöhlten Kalbsmilz oder auch gefüllten Schweinsfuß.
Ferdinand Kellermann III. erinnert sich gerne an sein Wirtsleben. „Es war seine harte Zeit, viel Arbeit, aber es war auch immer lustig und unterhaltsam. Der Stammtisch war eine Bereicherung.“ Um acht Uhr morgens sperrte er auf. Er musste den Touristen, die sich in den Fremdenzimmern eingemietet hatten, das Frühstück herrichten, da konnte er die Wirtsstube gleich für alle öffnen. Und Schluss war dann, wenn der letzte Gast das Wirtshaus irgendwann in der Nacht verließ.