Was empfinden Geflüchtete unterschiedlicher Nationen als „typisch deutsch“? Darf man einer Studie des „Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration“ glauben, so ist „typisch deutsch“ ein fester Arbeitsplatz, der nicht nur das tägliche Brot auf den Tisch bringt, sondern eine gesicherte Zukunft ermöglicht. Gänzlich abseits des öffentlichen Bewusstseins leisten, so IQ-Netzwerkmanagerin Eva Meidinger von der Kreisentwicklungsgesellschaft ARBERLAND REGio GmbH, viele deutsche Unternehmen Basisarbeit in Sachen Integration und gelebte Willkommenskultur. Zu ihnen gehören auch die Werkzeug-, Handwerksmaschinen- und Schweißtechnikspezialisten der Fidel Schub GmbH in Viechtach. Ihr neuer Verkaufsmitarbeiter kommt aus Damaskus.
Seit zwei Jahren leben Munif Khalouf und sein älterer Bruder in Deutschland. Nach dem Transfer von Kelheim hat er in Viechtach nun eine zweite Heimat gefunden: „Eigentlich wollte ich ja in die Großstadt. Dort gibt es mehr Menschen und Möglichkeiten. Als wir dann aber hierhergekommen sind, haben wir so viele nette Leute gefunden, mit denen man sich treffen, Spazierengehen oder etwas spielen kann. Das mag ich nicht mehr hergeben.“
Der 25-Jährige ist gelernter Bürokaufmann. Sein erstes Praktikum an der Berufsschule Viechtach führte ihn dann aber auf Vermittlung der vhs ARBERLAND in die Nußbergerstraße 15. Einzelhandel. Kundenberatung. „Es hatten sich zwei Kandidaten vorgestellt und ich habe Munif genommen“, erinnert sich Geschäftsführer Albert Schub. „Im Verkauf wurde der junge Mann auch wirklich offen aufgenommen, obwohl er anfangs sicher ein wenig Angst vor dem direkten Kontakt mit der Kundschaft hatte. Das ist ja auch verständlich, wenn man gerade einmal dabei ist, deutsch zu lernen und die Menschen einen dann in tiefstem Dialekt ansprechen.“ Besonders gern erinnert sich Schub daran, wie Munif die ersten Kunden an der Hand durch den Laden führte, damit sie ja alles bekämen, was sie suchten.
Nachdem sich seine neuen Kollegen beim Chef für ihn verwendet hatten, nahm sich Munif ein Herz und reichte eine Bewerbung als Azubi im Einzelhandel ein. „Wir waren zu diesem Zeitpunkt gar nicht auf der Suche nach einem neuen Lehrling“, erzählt Schub, „aber wenn jemand so gut zum Team passt, fleißig und lernwillig ist, macht man gerne eine Ausnahme.“ Seine Ausbildung sollte Munif im Anschluss an eine Einstiegsqualifizierungsmaßnahme (EQ) der Berufsschule antreten. Hier war er mit geradezu verbissenem Ehrgeiz dabei: „Wissen Sie“, meinte er Anfang des Jahres: „Die Zeit wartet nicht. Andere haben schon mehr geschafft als ich. Ich bin hergekommen, um mir eine Zukunft aufzubauen, weil alles, was ich in Syrien hatte, kaputt und vorbei ist.“
Leider verlief die EQ aufgrund seiner noch zu geringen Sprachkenntnisse nicht gut für Munif und dieser ließ sich so weit entmutigen, dass er sich den Ausbildungsantritt noch nicht zutraute. „Bis er sein Selbstbewusstsein mit dem Deutschen wiedergefunden hat, darf Munif regulärer Mitarbeiter bleiben“, sichert Schub zu. „Wenn man merkt, dass jemand Potenzial hat und willig ist, dann verdient er eine Chance. Wir vergessen oft, welch eine Kraftanstrengung es darstellt, neben dem Deutschen, Bayerischen und Englischen auch noch eine fachbezogene Sprache zu erlernen - und dann die Kultur und das Leben allein zu bewältigen. Nicht nur, dass Munif mir als Arbeitskraft und als Kollege teuer ist, ich finde, Integration wird nur möglich, wenn Geflüchtete sich ausprobieren dürfen - auch dann, wenn einmal Stolpersteine auf dem Weg erscheinen.“