Ganz in der Nähe von Zenting, am Gruselsberg, leben Karin Stadtherr und ihr Mann Tobias Knoll auf ihrem Kabardiner-Gestüt. Die Pferderasse stammt ursprünglich aus dem Nordkaukasus und zeichnet sich durch Robustheit und Eleganz aus. Im Interview mit WAIDLER.COM spricht Tobias Knoll über eine ganz besondere Pferderasse und den Spaß am Reiten.
Auf Ihrem Gestüt, in dieser einzigartigen Umgebung, bieten Sie Reitkurse an. Einfach vorbeikommen und ausprobieren?
Geht fast immer, aber eine Anmeldung macht es sicherer, dass auch jemand da ist. Wir bieten so zweimal im Monat ein- bis zweitägige Kurse mit besonderen Reitlehrern aus ganz Deutschland an. Bei uns steht im Vordergrund, dass Reiter und Pferd Freude aneinander haben. Wir lehren in erster Linie besseres Reiten für jeden Reiter, aber auch Sitzschulung, klassischen Reitunterricht, Doppel-Longe, langen Zügel oder auch zirzensische Lektionen wie Hinlegen oder den Spanischen Schritt. Und es gibt bei uns am Hof auch spezielle Trail- oder Working Equitation-Kurse an, also über Brücken oder Stege gehen, Tore vom Pferd aus öffnen. Daneben reiten wir auch selbst Distanz und veranstalten auch Distanzritte. Letztes Jahr sogar die Bayerische Meisterschaft. Dieses Jahr veranstalten wir am 03. Juni einen Distanzritt über 24, 40 und 60 km, im September einen zweitägigen über mit bis zu 120 km.
Das 200 Jahre alte Haupthaus verpflichtet, dieses außerordentliche Ambiente und die Natur zu bewahren
Gibt es eine Art Philosophie, die Sie kommunizieren wollen?
Ich denke, das hat weniger mit Kommunikation zu tun als vielmehr mit unserer Einstellung, Haltung. Wir leben hier auf diesem wunderbaren Hof, in dieser tollen Umgebung. Meine Frau und ich sehen es so, dass wir dafür eine Zeit lang die Verantwortung haben, es zu bewahren. Wir betreiben eine extensive Landwirtschaft. Hier herrscht eine große Artenvielfalt, hier stehen alte Eichen, viele Kirschbäume. Wir düngen nicht, setzen keine Spritzmittel ein, beweiden nur kurzzeitig in einem Weidewechselverfahren, so dass Wiesen nur 8 bis 10 Wochen im Jahr genutzt sind und sonst Zeit haben sich ihren Artenreichtum zu erhalten oder noch besser auszubauen. Hier wachsen viele Kräuter, die es auf normalen Wiesen nicht mehr gibt.
Wie viele Pferde unterhalten Sie?
Wir haben etwa 20 Pferde. Wir züchten auch und verkaufen ein bis zwei Fohlen oder Jungpferde pro Jahr. Dabei ist uns eine ideale Aufzucht wichtig. Die Kabardiner sind sehr robust und halten sich praktisch das ganze Jahr im Freien auf. Wir freuen uns immer über Gäste auf unserem Hof, sei es, weil sie sich mal diesen besonderen Platz anschauen wollen, sie an den Kursen aktiv oder als Zuschauer Interesse haben, sich für die tollen Kabardiner-Pferde interessieren, Distanzluft schnuppern oder einfach mal kennen lernen wollen, was sich hier im Bayerischen Wald so alles tut.
Zuchthengst Edils Echnaton
Herr Knoll, die Kabardiner sind eine ganz besondere Pferderasse. Woher stammt sie, was zeichnet sie aus?
Kabardiner haben eine angenehme Größe von 150 bis 160 cm und sind damit nicht zu klein und nicht zu groß. Sie sind sehr gut zu reiten, sehr robust, aber eben auch sehr elegant. Sie sind sehr fleißig, aufmerksam und gehorsam und stammen ursprünglich aus dem Nordkaukasus, wo sie auf bis zu 3.500 Meter gezüchtet werden. Das Volk der Tscherkessen, das im Hochgebirge lebt, züchtet diese Rasse. Hier gibt es nur Schotterwege, da braucht es robuste und vor allem zuverlässige Pferde. Die Leute dort sind sehr arm, können sich keine Autos leisten. Das Pferd ist heute noch oft das einzige Transportmittel.
Wie kamen Sie zu dieser Pferderasse?
Mein erstes eigenes Pferd war eine Kabardinerstute. Da begann ich, mich intensiv mit der Geschichte dieser Rasse zu beschäftigen. Die Rasse gibt es ja nur noch, da die Menschen, die dort leben, sehr arm sind, und die Infrastruktur schlecht ist. Die Rasse kam in den 1970er Jahren nach Deutschland. Im Endeffekt war Franz-Josef Strauß daran beteiligt. Er wollte mit der damaligen Sowjetunion Geschäfte machen und so wurden über eine Import-Export-Gesellschaft Rinder dorthin verkauft. Als Gegenleistung musste auch etwas gekauft werden und so wurden Kabardiner importiert und auf Höfe im Ruhrgebiet und in Wasserburg am Inn verteilt.
Die Rasse ist dann in Vergessenheit geraten, das Zuchtprogramm lag nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion am Boden. Nachdem ich mir die Stute Anfang der 2000er Jahre gekauft hatte und mich die Rasse und ihre Geschichte begeisterte, gründete ich einen Verein zum Erhalt der Rasse. Ich lernte tscherkessische Staatsbürger kennen, die in Deutschland leben. Und so kam es 2008 sogar zu einem Treffen mit dem Premierminister von Kabardino-Balkarien. Er sagte 150.000 Dollar pro Jahr zu, damit die Zucht in seinem Land wieder vernünftig betrieben werden konnte, also mit Stutbuch, Dokumentationen. Vorher wurde wild gekreuzt, die Rasse drohte zu verschwinden, und niemand mit Geld interessierte sich mehr dafür. Jetzt identifiziert sich die Bevölkerung wieder mit den Kabardinern, ist stolz auf ihre tollen Pferde. Und die VW-Stiftung finanzierte zwischen 2012 bis 2015 ein Projekt der Humboldt-Universität Berlin, bei dem es um Wissenstransfer zwischen Deutschland und dem Kaukasus geht. Grob gesagt geht es um Genforschung anhand der Rasse der Kabardiner. Hier werden bald die ersten Forschungsergebnisse publiziert.
Vielen Dank für das Gespräch.