Wissen Sie, wie das Fleisch und die Wurst auf unsere Teller kommen? Im Gegensatz zu industrieller Massentierhaltung und Massenschlachtungen kann man heute exemplarisch an einer Hausschweinhaltung und einer Hausschlachtung aus früheren Jahrzehnten im Bayerischen Wald sehen, an welchen Maßstäben man sich – falls man denn gerne Fleisch und Wurst isst - orientieren könnte. Und wie wichtig ein klarer und bewusster Umgang mit der Thematik ist.
Xaver Perl aus Schönberg wohnte in seiner Kindheit Anfang der 1960er Jahre vielen Hausschlachtungen bei seiner Oma in Eppenschlag bei, später legte der gelernte Metzger über drei Jahrzehnte selbst Hand an. Gerade in der Zeit vor Weihnachten ereilten Xaver Perl von überall her die Rufe der Bauern. Diese hatten immer wieder ein Schwein herangefüttert, das sie nun, als Selbstversorger, mit seiner Hilfe schlachten wollten. Die Tiere wurden in manchen Regionen auch Mettensäue genannt, da die aus ihnen gewonnenen Würste und Bratenstücke nach der Christmette verzehrt wurden. Da es kaum Kühlschränke geschweige denn Gefriertruhen gab, verwahrten die Bauern das Fleisch in kühlen Kellern. Das Fleisch und vor allem die Wurst teilte man selbstverständlich mit den Nachbarn, die bei der Schlachtung kräftig mithalfen. Gerade die Wurst war nicht lange haltbar und bald wieder aus. Da freute man sich auf die Hausschlachtung der Nachbarn, von denen man dann selbst wieder etwas abbekam.
Alles war wertvoll
Bei jeder Schlachtung war der sogenannte Hausmetzger oder Brandmetzger anwesend. Und natürlich der Fleischbeschauer. Dieser war eine Amtsperson, Lebend- und Fleischbeschau waren bei der Hausschlachtung zwingend vorgeschrieben.
Zum Betäuben versetzte der Metzger dem Schwein einen Schlag mit dem Beil auf den Kopf, später oft per Bolzenschuss. Das Töten folgte umgehend, durch Halsstich und Ausbluten. Deshalb nannte man die Hausschlachtung auch Saustechen. Das Stechmesser durchtrennte mit einem Schnitt des Schlachters die Hauptadern vor dem Herzen. Das Blut schoss so heftig hervor, dass das Tier binnen Minuten ausblutete. Das Blut wurde in einer Schale aufgefangen, geschlagen, damit es nicht gerinnt, und für die Blutwurst und den Presssack beiseitegestellt.
Danach hievte man das tote Tier in den Sautrog und streute ein Pulver, das sogenannte Brüh- oder Saupech, darüber. Man übergoss das Schwein mit heißem Wasser. In Folge klebten die Borsten zusammen, und man konnte sie beim Bachln mit den Brühketten leichter entfernen.
Jedes Teil war wertvoll, für jedes Stück vom Tier fand man Verwendung. In den Magen des Schweines füllte man den Presssack ein, in den Dickdarm die Blutwurst. Aus den Knöcherl, den Pfoten, machte man eine Sulz. Zunge, Lunge und Herz gaben die Basis für ein schmackhaftes Lüngerl. Die Leber kam in die gleichnamige Wurst, eingefüllt in den Dünndarm. Einen großen Teil des Fleisches surte man ein, um es länger haltbar zu machen, den Rest nutzte man als willkommenes Bratenfleisch. Und selbst die Saublase fand ihre nützliche Verwendung: Die Kinder spielten damit Fußball.
Der Wert des Seltenen
Fleisch war für die Menschen damals etwas ganz Besonderes, es war ein Luxusgut. Wenn überhaupt, dann gab es sonntags einen Schweinebraten oder Geflügel zu essen. Wie gut würde ein solches Verhalten im Sinne von Agrarökologie und nachhaltiger Landwirtschaft heute vielen Konsum-Gesellschaften zu Gesicht stehen. Gerade in Zeiten einer industriellen Massentierhaltung. Fleisch und Wurst hatten damals noch den Hauch des Außergewöhnlichen, und so verwerteten die Bauern jedes Teil des geschlachteten Schweines. Am Schluss blieben nur die Borsten übrig. An den Werktagen ernährte man sich vorwiegend von Mehlspeisen, Krautsuppen und Kartoffelgerichten wie Reiberzelten (Kartoffelpuffer), Reinstrizl (mit Äpfeln gefüllter Kartoffelteig) oder Hosenköpf (in Butterschmalz angebratene Kartoffelnudeln). Bohnenkaffee gab es ebenfalls nur sonntags. Anderntags trank man Muckefuck: Malzkaffee, der mit Farbstoff der Chicorée-Wurzel seine dunkle Farbe erhielt. Dazu gab es die Milch von der eigenen Kuh oder Goaß.