Die gemeinsamen Unternehmungen von Schülern aus Prachatice und vom Gymnasium Freyung sind seit über zehn Jahren nicht mehr aus dem Schulterminkalender wegzudenken!
Nach einer gemeinsamen Erkundung der südböhmischen Stadt Český Krumlov im ersten Schulhalbjahr, folgten nun die tschechischen Schüler der Einladung der Freyunger Gymnasiasten in den Bayerwald und verbrachten erneut zusammen einen informativen und kommunikativen Vormittag. Sie hörten u. a. von bayerisch-böhmischen Geistergeschichten und tierischen Grenzgängern im Museum „Jagd Land Fluss“, bevor sie sich am Ende zu einer Schulhausführung am Gymnasium Freyung einfanden.
Karl-Heinz Reimeier beim Vorlesen einer seiner spannenden Weihrazgeschichten und Übersetzerin Marie Myšáková in der Kreisbibliothek
Zunächst trafen sich alle in der Kreisbibliothek, wo die Jugendlichen und ihre Lehrer Tomáš Soumar und Marie Myšáková aus Prachatice sowie Michael Köberl und Tanja Wagner aus Freyung sehr herzlich von der Leiterin Notburga Schreiner begrüßt wurden. Sie betonte die Zusammenarbeit ihrer Bibliothek mit der in Prachatice und wünschte den jungen Leuten gute Unterhaltung beim ersten Programmpunkt: Karl-Heinz Reimeier, Kreisheimatpfleger des Landkreises Freyung-Grafenau, las seinen interessierten Zuhörern jahrhundertealte Geschichten aus der bayerisch-böhmischen Grenzregion vor und Marie Myšáková, die in Prachatice Deutsch und Tschechisch unterrichtet, übersetzte für die Gäste. Dabei ging es um Milch in Vimperk, in der eine Hexe ihr Unwesen trieb, einen Bauern in Freyung, der in der Walpurgisnacht aufgrund der Wilden Jagd auf seinem Misthaufen landete, und eine Heiligenstatue aus Chroboly, einer Nachbargemeinde von Prachatice, die nicht als Brennholz enden wollte und daher an Lichtmess in einen Brunnen sprang. Der Kreisheimatpfleger erklärte den Schülern auch anschaulich, wie man sich vor der Drud, einem Druckgeist, und anderen unheimlichen Gestalten – dem Volksglauben nach – mit bis auf die Keltenzeit zurückgehenden Zeichen schützen kann und wieso der Maibaum gänzlich von seiner Rinde befreit werden und in der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai durchgehend bewacht werden muss.
Die tschechischen und deutschen Schüler bunt gemischt im Museum „Jagd Land Fluss“ im Freyunger Schloss Wolfstein
Etwas skeptisch fragten die Schüler dann schon nach, ob Karl-Heinz Reimeier diese sog. „Weihrazgeschichten“ wirklich glaube und wollten auch wissen, wieso er solche sammle und ob er schon einmal selbst so etwas erlebt habe. Der abschließenden Feststellung von Notburga Schreiner, dass es zwischen Himmel und Erde Dinge gäbe, die man sich nicht erklären könne, konnten aber schlussendlich alle Anwesenden zustimmen.
Die Prachaticer Schüler schauten sich dann noch etwas in der Kreisbibliothek, die auch Bücher in tschechischer Sprache beherbergt, um und machten sich daraufhin mit ihren deutschen Austauschpartnern auf den Weg ins Schloss Wolfstein. Dort, im Museum „Jagd Land Fluss“, teilten sich die Jugendlichen in drei sprachlich gemischte Gruppen auf und erkundeten ausgestattet mit Audio-Guides das Museum. Gemeinsam galt es eine Rallye zu meistern, die die deutschen und tschechischen Schüler durch alle Bereiche des Museums führte. Beispielsweise mussten das Motto des Nationalparks in beiden Sprachen gefunden – „Natur Natur sein lassen“ auf Deutsch und „Přírodu nechat přírodou“ auf Tschechisch – und Fragen zu tierischen Grenzgängern wie dem Luchs und dem Wolf beantwortet werden.
Dass sich das Schülerdasein in Tschechien und Deutschland gar nicht so sehr unterscheidet, stellen die Schüler bei der Führung durch das Gymnasium Freyung fest, rechts die Lehrer Michael Köberl und Tomáš Soumar
So wie Geister und Tiere keine Landesgrenzen kennen, konnten die am Austauschprojekt beteiligten Jugendlichen beim letzten Programmpunkt, einer Führung durch das Schulhaus in der St.-Gunther-Straße in Freyung, etwas sie Verbindendes feststellen: Hüben wie drüben sitzen sie als Schüler in Klassenzimmern mit Stühlen, Bänken und Tafeln und sollen brav den Ausführungen ihrer Lehrer lauschen. Doch nach insgesamt sechs Treffen der beiden Klassen gingen die Schüler beider Länder hinsichtlich ihrer Gemeinsamkeiten noch viel weiter: Am Ende wollten sie nämlich kaum voneinander Abschied nehmen und zeigten so eindrücklich, dass die entstandenen Freundschaftsbande ohne Schwierigkeiten die Grenze überwinden. Und manch tschechischer Schüler überlegt, ob er vielleicht nächstes Schuljahr als Gastschüler nach Freyung kommen möchte – Freunde hätte er hier bereits!