Schönbrunn am Lusen. In vielen Wirtschaftswäldern der Erde sind Borkenkäfer die gefürchtetste Schädlingsart. Im Nationalpark Bayerischer Wald ist das anders, da die Insekten hier als natürlicher Teil der Walddynamik wirken können. Gerade deswegen jedoch haben Nationalpark-Forscher über Jahrzehnte viele Erfahrungen gesammelt. „So sind wir ein idealer Ort, um über aktuelle Borkenkäferthemen zu diskutieren“, findet Nationalpark-Forschungsleiter Jörg Müller. Daher kamen auf Initiative von Peter Biedermann (Universität Würzburg) jüngst Experten aus vier Kontinenten in den Bayerwald, um die vielen offenen Fragen rund um die kleinen Käfern zu erörtern.
Das interdisziplinäre Team aus Südafrika, Frankreich, den USA, Indien, Norwegen, Belgien, Tschechien und Deutschland verbrachte eine Woche im Jugendwaldheim bei Schönbrunn am Lusen.
Der Südafrikaner Michael Wingfield (links) und der Amerikaner Richard Hofstetter nehmen ein Stück Borkenkäfer-Rinde unter die Lupe.
Hauptaugenmerk des Workshops: „Wir wollten neue Ideen sammeln“, erklärt Müller. Schließlich könne man zwar auf eine lange Geschichte der Borkenkäferforschung zurückblicken, trotzdem sei vieles noch unklar. „Wir sehen etwa, dass Borkenkäfer Populationen massiv nach oben gehen und dann plötzlich abrupt abnehmen. Dieses Zusammenbrechen haben wir bis heute nicht verstanden.“
Käfer, Bäume, deren Abwehrmechanismen sowie weitere Mitspieler wie Bakterien oder Pilze bilden ein komplexes System, das die Experten bisher nur teilweise verstehen. „Wir haben uns darüber unterhalten, wo genau unsere Wissenslücken liegen und wie wir methodisch angehen können, diese Lücken zu schließen“, so Müller. Dafür wurden Diskussionsrunden, Workshops in Kleingruppen sowie Vorträge – einer davon sogar öffentlich im Waldgeschichtlichen Museum St. Oswald – abgehalten. Daneben gab’s zwei Exkursionen im Nationalparkgebiet.
Diana Six von der University of Montana interessiert sich etwa für den Einfluss von Pilzen auf den Borkenkäfer-Kreislauf.
Zu den wichtigsten Teilnehmern gehörten Diana Six (University of Montana), Richard Hofstetter (Northern Arizona University) und Michael Wingfield (University of Pretoria). „Nach über 100 Jahren der Forschung wissen wir immer noch nicht, wie Borkenkäfer Bäume zum Absterben bringen. Einige sagen, Pilze seien dafür verantwortlich, andere setzen die von den Käfern gegrabenen Tunnel in den Fokus. Definitive Antworten gibt es jedenfalls noch nicht“, erklärte etwa Six.
Ihr Kollege Wingfield, zugleich Präsident des Internationalen Verbands Forstlicher Forschungsanstalten (IUFRO), stellte fest: „Durch den globalen Handel mit Holz, verbreiten wir weltweit auch viele Borkenkäferarten, die abseits ihrer normalen Lebensräume teilweise noch größere Schäden anrichten. Genau erforscht sind diese Transportwege allerdings nicht.“ Und Hofstetter sagte: „Wir wissen zwar, dass die Käfer auch mithilfe von Geräuschen kommunizieren, wie sie diese wahrnehmen ist aber noch offen. Ohren konnten wir bisher nicht finden.“
Geballte Borkenkäfer-Fachkompetenz aus vier Kontinenten versammelte sich jüngst im Nationalpark Bayerischer Wald.
Und das Fazit des Austauschs? „Es war eine sehr fruchtbare Zusammenarbeit, die uns auf jeden Fall viele neue Impulse für Forschungsansätze beschert hat“, resümiert Biedermann. Es soll auch kein einmaliges Kennenlernen gewesen sein: „Wir bleiben mit den Teilnehmern auf jeden Fall in Kontakt.“
Der häufigste Borkenkäfer im Nationalpark Bayerischer Wald ist der Buchdrucker, der Fichten befällt.