Vortrag zu Dietrich Bonhoeffer stellte Frage an seine Gegenüber
Pfarrer Martin Dubberke durfte Dietrich Bonhoeffer weitaus näher kommen als die meisten heutigen Menschen. Er war ehrenamtlicher Geschäftsführer des Bonhoeffer-Hauses in Berlin und durfte dort selbst mit eigener Familie wohnen. Die „Begegnung“ prägte sein Leben und wirkt auch heute auf unterschiedlichsten Ebenen nach; nicht immer positiv, wie er in einem Vortrag in der Dietrich-Bonhoeffer-Kirche in Schönberg beleuchtete.
Zu den Gedenkwochen 80 Jahre nach seiner Unterbringung am Markt und Ermordung in Flossenbürg wurde Bonhoeffer zu vielem stilisiert, zu Märtyrer, Widerstandskämpfer, zu einem Dichter sinniger Verse auf Poesiekarten. Gerade bedienen sich ausgerechnet die rechten Kreise Amerikas hinter Donald Trump an ihm, um ihm ihre eigene Vorstellung von Freiheit abzumühen. Ein geheimer „Deep State“ wolle sogar den Menschen ihre Rechte rauben wie damals Hitler. In einem Atemzug werden Demokraten oder Joe Biden mit ihm verknüpft und eine fundamentalistische evangelikalistische „Theologie“ vor den Karren der Macht gespannt. Eine extrem konservative Bewegung, den auch die AfD offenbar für sich unter dem Schlagwort der „eigenen“ Meinungsfreiheit nutzt.
Der Pfarrer Martin Dubberke ließ sich auf eine sehr persönliche Begegnung mit Dietrich Bonhoeffer ein, die 80 Jahre nach dessen Ermordung den Theologen, Menschen und Mahner lebendig in seiner Wirkung und Wahrnehmung halten sollte. Foto: Marktgemeinde Schönberg
Martin Dubberke kam an viele Punkte in seinem Leben, die Bonhoeffer als Menschen und Theologen zeigten. In Schule und Studium gab es Originalschauplätze. Menschen, die ihn noch kannten, wurden Wegbegleiter. Und langsam wuchs die Überzeugung, dass Bonhoeffers letzte Erinnerung auch nicht das Lied „Von guten Mächten“ gewesen sein dürfe, auch wenn es davon alleine 400 Vertonungen mit Gema-Rechten gebe. So wäre er nur ein „One-Hit-Wonder“. Aber wie sonst wirkt er fort? In den 60ern war er mehr Theologe und Vorbild im Glaube, in den 90ern wurde er „Sanktifiziert“ als Blutzeuge Christi. Er wurde auf Poesiekarten und in Liedern verkitscht und heiß geliebt. Und er wird instrumentalisiert. Dabei war er als Mensch erst einmal menschlich; Kettenraucher, Genussmensch, mit depressiven Phasen, eher zurückhaltend im Geltungsbewusstsein und doch als Theologe so etwas wie ein „Mozart in allen Registern“ der Glaubenswissenschaften. Mit 21 promoviert, mit 24 habilitiert; weltgewandt, musikalisch und fleißig. Die Familiengeschichte hatte zu einem tiefen Glauben eine starke sozialverpflichtete Ader hinzugegeben. Und genau aus dieser Begegnung mit Bonhoeffer könne auch heute so dringend gezehrt werden, so Dubberke. Alles Handeln benötige ein theologisches Fundament und ohne Glaube sei Tun auch nichts, so seine Essenz. Die Frage, „Wer bin ich?“, habe oft widersprüchliche Antworten aus Fremd- oder Eigenwahrnehmung. Untrüglich sei für Bonhoeffer aber immer die Wahrnehmung durch Gott gewesen: „Du kennst mich.“ Deswegen stand er für „Bekennende Kirche“ statt für die Gleichschaltung der NS-Zeit. Dubberke kritisierte dazu scharf neben den klarer erkennbaren Gefahren der echten Freiheit auch neu auftauchende tendenzielle Kirchenpositionen und Vertreter, die sich an Massen und Zeitgeist anbiedern würden, statt ebenso klar das Wort zu ergreifen. Und er forderte auch jeden auf, nicht beim Lied von guten Mächten stehen zu bleiben, sondern jedem Zuviel an Ohnmacht oder Zuviel an Machtergreifung selbst schmerzhaft „in die Räder zu greifen“. Das fasste er zudem in einem Begriff, der vieles von diesem Auftrag vereint: „Glaubwürdigkeit“; also seine Würde auf einer gelebten Ethik des Glaubens gründen. Daraus leitete sich Bonhoeffer seine Gesetze der Nachfolge ab, die weiter gelten müssten: Nachfolge ist nicht bequem. Nachfolge geht auch an die eigene Existenz. Davon zeugt Bonhoeffer bis in letzte Konsequenz. Hinter dieser Überzeugung war er Theologe und vor ihr Mensch und Gesellschaft. Wäre er „nur“ Heiliger, Märtyrer, Poet oder Glaubenstheoretiker, würde er dadurch von der eigentlichen Bedeutung nur weit weggerückt. Die Einladung Dubberkes lautete vielmehr: Die persönliche Begegnung mit Bonhoeffer hat stets aktuell etwas zu erzählen.