St. Oswald. Alkohol, Inzucht und Kinderarbeit – das soll zu Insekten passen? Geht nicht, oder? Geht doch, wissen jetzt rund 100 Besucher des jüngsten Vortrags aus der wissenschaftlichen Reihe des Nationalparks Bayerischer Wald im Waldgeschichtlichen Museum St. Oswald. Dabei schilderte Dr. Peter Biedermann vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena das Leben von im Holz brütenden Borkenkäfern.
Dr. Peter Biedermann berichtete den Besuchern vom erstaunlichen Sozialverhalten der im Holz brütenden Borkenkäfer.
Die Ambrosiakäfer bauen sich – entgegen dem Buchdrucker – ihr Nest nicht in der Rinde, sondern im Holz selbst. Dort züchten sie Pilze, die ihnen als Nahrung dient. „Doch beide Seiten profitieren davon“, erklärt Biedermann. „Schließlich verbreiten die Käfer auch den Pilz.“ Als Lebensraum nutzen sie vor allem frisch umgefallene Bäume, bei deren Absterben besonders viel Alkohol freigesetzt wird.
„Denn Ambrosiakäfer sind wahre Alkoholiker – desto hochprozentiger, desto besser.“ Schließlich würden so Schimmelpilze von der Pilzzucht ferngehalten.
In Sachen Fortpflanzung setzen die Lebewesen auf Inzucht. Ein Weibchen legt rund 50 Eier im Nest ab, daraus entwickeln sich jedoch nur ein oder zwei Männchen, die sich dann ihr Leben lang mit den eigenen Schwestern paaren. „Wenn das der Mönch, der sie im 19. Jahrhundert entdeckt hat, gewusst hätte, hätte er sie sicher nicht Ambrosiakäfer, also Käfer der Götter, genannt“, so der Forscher. Dafür zeigen die kleinen Wesen erstaunliches Sozialverhalten. „Sie schützen das Nest, pflegen die Pilze und putzen sich gegenseitig“, berichtet Biedermann. Und auch Arbeitsteilung spielt eine wichtige Rolle. So seien die Larven dafür verantwortlich den Dreck aus dem Nest – Sägespänne und Kot – in kleinen Ballen zusammenzutragen. Die mit ihnen lebenden erwachsenen Tiere befördern die Mülltüten dann ins Freie.
Gut 100 Zuhörer waren zum Vortrag über Ambrosiakäfer ins Waldgeschichtliche Museum St. Oswald gekommen.
Und auch für menschliche Anwendungsbereiche könnten die Käfer noch interessant werden. „Das klingt zwar absurd, aber vielleicht können wir von der tierischen Landwirtschaft noch viel lernen“, meint der Experte. „Schließlich betreiben die Tiere seit 60 bis 80 Millionen Jahren Pilz-Monokulturen.“ Demnächst wird sich Biedermann daher besonders mit möglichen Anwendungsbereichen in der Landwirtschaft beschäftigen.