Delegation der Jungen Union Niederbayern informiert sich in Tallinn über digitale Transformation und sicherheitspolitische Herausforderungen an der NATO-Ostflanke
Spätestens seit dem russischen Überfall auf die Ukraine liegen die baltischen Staaten an der östlichen NATO-Außengrenze wieder im besonderen sicherheitspolitischen Interesse der europäischen Öffentlichkeit. Zudem gilt insbesondere Estland als Vorbild für die digitale Transformation von Staat und Gesellschaft. Diese beiden Themen standen auch im inhaltlichen Fokus einer Informationsfahrt der Jungen Union Niederbayern in die estnische Hauptstadt Tallinn, an welcher insgesamt 60 Nachwuchspolitiker aus allen Teilen des Bezirksverbandes teilnahmen. Aus dem Kreisverband Freyung-Grafenau waren Sebastian Graup, Johannes Kainz, Dr.-Ing. Sebastian Weber und Christoph Weishäupl nach Estland gereist.
Den politischen Auftakt der Informationsfahrt bildete ein Briefing zu den deutsch-estnischen Beziehungen in der Residenz der Deutschen Botschaft in Tallinn. Zwischen Estland und Deutschland bestehen sehr enge und freundschaftliche Beziehungen, wie Botschaftsrat Mario Sauder, Ständiger Vertreter der Deutschen Botschafterin und Leiter des Wirtschaftsreferats, der JU-Delegation berichtete. Dabei hat die enge Verbindung zwischen den beiden Staaten weit zurückreichende historische Wurzeln: Die Präsenz der Deutsch-Balten vom 13. Jahrhundert bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs, die Blüte der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zur Zeit der Hanse im Mittelalter und eine daraus resultierende starke Stellung der deutschen Sprache sowie ein enger Austausch mit dem deutschen Sprachraum haben die Zeit der sowjetischen Besatzung überdauert und bilden die Grundlage einer überaus intensiven Bindung in der Gegenwart.
Deutschland zählt zu den wichtigsten Handelspartnern Estlands. Etwa 400 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung sind in Estland registriert. Wichtigster Ansprechpartner der deutschen Wirtschaft ist dabei die Deutsch-Baltische Handelskammer mit Büro in Tallinn. Zudem ist Estland als weltweiter Vorreiter bei der Digitalisierung der Verwaltung ein gefragtes Ziel zahlreicher deutscher Delegationen aus Bundes-, Landes- und Kommunalpolitik. "Es gibt einen sehr intensiven Dialog zum Stand und der Umsetzung der Digitalisierung, insbesondere in den Bereichen E-Government, E-Health und E-Education, welcher an einem regelmäßigen Besucheraustausch ablesbar ist", wie Sauder aufzeigte. Auch hat Estland in den vergangenen Jahren als Pionier in den Bereichen E-Residency und Cybersicherheit weltweit Beachtung gefunden. Ein Teil der JU-Delegation konnte hierzu im "e-Estonia Briefing Centre" weitere Einblicke erhalten. Das Präsentationszentrum stellt ausländischen Besuchern die Erfolgsgeschichte der digitalen Gesellschaft in Estland vor und bietet Schulungsangebote und Möglichkeiten zur Netzwerkarbeit.
Mit bayerischer und niederbayerischer Fahne stellte sich die 60-köpfige Delegation der Jungen Union Niederbayern vor der Alexander-Newski-Kathedrale auf dem Tallinner Domberg zum Gruppenfoto Botschaftsrat Mario Sauder auf. Aus dem Kreisverband Freyung-Grafenau waren Sebastian Graup, Johannes Kainz, Dr.-Ing. Sebastian Weber und Christoph Weishäupl nach Estland gereist.
Die estnische Innen- und Außenpolitik war Thema beim Austausch mit Siim Umerov, Vorsitzender der Jugendorganisation der konservativen estnischen EVP-Partnerpartei Isamaa, im Rahmen einer Führung durch das Parlamentsgebäude. Umerov informierte die JU-Delegation über die gegenwärtigen Mehrheitsverhältnisse im Riigikogu, dem estnischen Einkammerparlament, mit Sitz im Tallinner Schloss, sowie die Grundzüge des politischen Systems in Estland. Innenpolitisch sei die Integration der russischstämmigen Bevölkerung weiterhin ein bestimmendes Thema, berichtete Umerov. Rund ein Viertel der Esten zählen zur russischsprachigen Minderheit. Nun soll Estnisch als alleinige Sprache im Schulunterricht durchgesetzt werden und das bisherige zweisprachige Schulsystem ablösen.
Außenpolitische Schwerpunkte sind neben der Verteidigungspolitik das Engagement in internationalen Organisationen, allen voran in EU und NATO, sowie die Stärkung der regionalen Kooperation im Ostseeraum. Umerov beleuchtete die Verteidigungsstrategie Estlands an der Ostflanke der NATO. Nicht erst seit Ausbruch der offenen russischen Aggression gegen die Ukraine sieht sich der kleine baltische Staat mit seiner hochdigitalisierten öffentlichen Infrastruktur auch regelmäßigen Angriffen und Sabotageversuchen seines Nachbarn ausgesetzt und hat sich eine enorme Kompetenz im Bereich Cybersicherheit erarbeitet. Auch das 2008 auf estnische Initiative gegründete NATO-Kompetenzzentrum für kooperative Cyberverteidigung (CCDCOE) hat seinen Hauptsitz in Tallinn.
Die Vertreter der Jungen Union Freyung-Grafenau im Plenarsaal des estnischen Parlaments:
(v. li. n. re.) Sebastian Graup, Dr.-Ing. Sebastian Weber, Johannes Kainz und Kreisvorsitzender Christoph Weishäupl.
Neben dem politischen Austausch nahmen die JU-Mitlieder auch an einer Stadtführung durch die historische Altstadt von Tallinn teil und erkundeten die zentralen Sehenswürdigkeiten der UNESCO-Weltkulturerbestätte. Auf dem Domberg konnte neben dem als Parlamentsgebäude dienenden Tallinner Schloss u. a. das Stenbock'sche Haus, der Sitz der estnischen Regierung, der evangelisch-lutherische Tallinner Dom, die russisch-orthodoxe Alexander-Newski-Kathedrale, das Haus der Estländischen Ritterschaft und die Estnische Akademie der Wissenschaften besucht werden. In der Unterstadt wurde u. a. der Rathausplatz mit dem gotischen Tallinner Rathaus und der bis heute betriebenen Ratsapotheke aus dem 15. Jahrhundert, die Heiliggeistkirche, die Nikolaikirche, die Häuser verschiedener Gilden sowie die beeindruckende Stadtmauer mit ihren Wehrtürmen in Augenschein genommen. Von der Aussichtsplattform auf dem Turm der Olaikirche wiederum genoss man einen Panoramablick über die estnische Hauptstadt.
Ein Tagesausflug via Fähre nach Helsinki rundete die Reise ab. Die finnische Hauptstadt präsentierte sich mit ihrer beeindruckenden Mischung aus neoklassizistischer Architektur und modernem skandinavischem Design. Im Rahmen eines Stadtrundgangs konnten u. a. der klassizistische Dom von Helsinki am zentralen Senatsplatz (Senaatintori), die orthodoxe Uspenski-Kathedrale, die Felsenkirche Temppeliaukio Kirkko und das finnische Parlamentsgebäude besichtigt werden. Eine Fahrt mit dem SkyWheel sowie ein Besuch der alten Markthalle Vanha Kauppahalli am Hafen von Helsinki komplettierten die Stippvisite nach Finnland.