Krankenhausversorgung im ländlichen Raum unter Druck
CSU-Fraktionsvorsitzender Klaus Holetschek und MdL Dr. Stefan Ebner diskutieren mit örtlichen Kliniken-Chefs und Landräten Auswirkungen der Krankenhausreform
Nach der Verabschiedung der Krankenhausreform durch den Bundestag hat jüngst auch der Bundesrat das umstrittene Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes gebilligt. Über die erwartbaren Auswirkungen der Reform, die immer prekärer werdende Lage der stationären und ambulanten Versorgungssituation im ländlichen Raum sowie die Einflussmöglichkeiten des Freistaats diskutierten der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag, Staatsminister a. D. Klaus Holetschek, und MdL Dr. Stefan Ebner mit dem Vorstand der ARBERLANDkliniken Landkreis Regen, Christian Schmitz, dem Geschäftsführer der Kliniken am Goldenen Steig gGmbH, Marcus Plaschke, sowie den Landräten von Regen und Freyung-Grafenau, Dr. Ronny Raith und Sebastian Gruber.
Mit eindringlichen Worten schilderte Christian Schmitz, Vorstand der ARBERLANDkliniken Landkreis Regen, zu Beginn des Austauschs die dramatische finanzielle Situation, in der sich der Großteil der deutschen Kliniken derzeit befindet. Die äußerst schwierige wirtschaftliche Lage und die deutlich gestiegenen Sach- und Personalkosten haben die Liquidität der Krankenhäuser nahezu flächendeckend stark beeinträchtigt. Neben dem Fehlen eines Inflationsausgleichs liegt eine weitere Ursache in einer Unterfinanzierung der Kliniken bei der Betriebs- und Investitionsförderung. "Die kommunalen Träger können den Eigenanteil an den notwendigen Investitionen in ihren ohnehin auf Kante genähten Haushalten kaum noch abbilden", erläuterte Schmitz. Beispielsweise würde ein Neubau des Krankenhauses in Zwiesel den Landkreis Regen als Träger mit Eigenmitteln in Höhe von rund 100 Millionen Euro belasten, so die Schilderung des Kliniken-Vorstands.
Neben der finanziellen Schieflage, die zuletzt auch vermehrt zu Insolvenzen und Schließungen geführt hat, bedroht auch die seit einigen Jahren diskutierte und kürzlich beschlossene Krankenhausreform des Bundes die Strukturen im ländlichen Raum, wie Landrat Sebastian Gruber ausführte. Im Zentrum der Reform steht eine Modifizierung des bisherigen Vergütungssystems anhand von Fallpauschalen. Um die Kliniken von dem Druck zu befreien, aus wirtschaftlichen Gründen immer mehr Fälle erbringen zu müssen, soll ein Großteil der Vergütung künftig für das bloße Vorhalten von Leistungsangeboten bezahlt werden. Um einzelne Leistungen jedoch weiter anbieten zu können, müssen die Häuser künftig bestimmte Qualitätskriterien erfüllen. Hierfür werden sämtliche Leistungen in Leistungsgruppen katalogisiert und an Mindestanforderungen im Bereich der vorhandenen technischen Ausstattung sowie des vorzuhaltenden fachlich qualifizierten Personals geknüpft.
"Die Kriterien in den einzelnen Leistungsgruppen werden bundesweit einheitlich definiert und unterscheiden nicht nach der Größe oder dem Einzugsgebiet der Häuser, wodurch kleine und peripher gelegene Strukturen in besonderem Maße unter Druck gesetzt werden", kritisierte Gruber. Insbesondere die oft hohen Anforderungen an die Anzahl der vorzuhaltenden Fachärzte für bestimmte Leistungsgruppen übersteigen die bestehenden Bedarfe und Möglichkeiten der hiesigen Kliniken und können absehbar weder personell abgebildet noch finanziell gestemmt werden. "Dies führt zu einem erzwungenen Abbau der Leistungspalette in unseren Kliniken", so die Befürchtung des Landrats.
Im Sinne der Reform werden die Bundesländer im Rahmen der Krankenhausplanung in die Pflicht genommen, zu entscheiden, welche Kliniken welche Leistungsgruppen anbieten sollen. Marcus Plaschke, Geschäftsführer der Kliniken am Goldenen Steig gGmbH, appellierte dahingehend an den Freistaat, diese Planungsaufgabe proaktiver anzunehmen und dabei einen besonderen Fokus auf die landesweite Versorgungslage zu legen. Ohne ein Eingreifen des Freistaats drohe besonders im ländlichen Raum ein massiver Versorgungsrückgang, unterstrich Plaschke. Hierfür sei auch eine gewisse Flexibilität in der Planung erforderlich: "Versorgungskonzepte müssen regional angepasst und praxistauglich ausgestaltet werden, auch wenn die Häuser in einer Region nicht alle formalen Kriterien erfüllen", so die Forderung des Kliniken-Geschäftsführers. Es müssten Angebote erhalten und Lösungen gefunden werden, um die Versorgungssicherheit auch in ländlichen Regionen mit kleineren Häusern und weiteren Wegen zu den Standorten nachhaltig zu gewährleisten. Häuser, die strukturell bedingt nur noch eine rudimentäre Basisversorgung mit wenigen Leistungsgruppen anbieten dürfen, würden große Probleme haben, qualifizierte und motivierte Ärzte für sich zu gewinnen und seien auch wirtschaftlich nicht zu betreiben, ergänzte Kliniken-Vorstand Schmitz.
Diskutierten die Auswirkungen der Krankenhausreform des Bundes sowie die aktuellen Herausforderungen der stationären und ambulanten Versorgungssituation im ländlichen Raum: (v. li. n. re.) Christian Schmitz, Vorstand der ARBERLANDkliniken Landkreis Regen, Landrat Dr. Ronny Raith (Regen), MdL Dr. Stefan Ebner, CSU-Fraktionsvorsitzender Klaus Holetschek, Landrat Sebastian Gruber (Freyung-Grafenau) und Marcus Plaschke, Geschäftsführer der Kliniken am Goldenen Steig gGmbH.
Der Vorsitzende der CSU-Landtagsfraktion, Klaus Holetschek, kritisierte die grundlegende politische Herangehensweise des Bundes bei der Krankenhausstrukturreform: "Die stationäre Versorgung ist ein wichtiges Fundament in der medizinischen Versorgung. Der demographische Wandel und der Fachkräftemangel im medizinischen wie pflegerischen Bereich machen eine Reform erforderlich, um die Versorgung der Menschen auch in Zukunft noch sicherzustellen. Anstatt aber mit positiven Anreizen, wie etwa Fördermitteln, auf Strukturreformen hinzuwirken, zwingt man die deutsche Krankenhauslandschaft mit einem System von Malus-Regelungen in einen kalten Strukturwandel – zum Schaden der Patienten. Das Scheitern eines Vermittlungsausschusses zur Krankenhausreform ist sehr bedauerlich. Das wäre die Chance gewesen, die Krankenhausreform zumindest in zentralen Punkten zu verbessern. So hätte der Bund längst ein Soforthilfeprogramm vorlegen müssen, um drohende weitere Insolvenzen zu verhindern."
Zahlreiche Standorte im ländlichen Raum seien so in ihrer Existenz bedroht, befürchtete auch MdL Dr. Stefan Ebner. Eine nach der anstehenden Neuwahl im Februar mögliche unionsgeführte Bundesregierung müsse daher zeitnah Korrekturen vornehmen: "Es braucht Ausnahmeregelungen und ein vernünftiges Maß an Spielräumen für die Länder", so der Abgeordnete.
Neben der stationären wurde auch die ambulante Versorgung in der Region diskutiert. Landrat Dr. Ronny Raith bemängelte, dass die Kassenärztliche Vereinigung ihrem Planungsauftrag seit geraumer Zeit nur noch unzureichend nachkomme, was die Versorgungslage im Facharztbereich dramatisch verschärft hat. Oftmals würden hier nun die Landkreise einspringen und für große Summen Facharztsitze ankaufen, um die fachärztliche Versorgung vor Ort aufrecht zu erhalten. Dabei sei die Facharztversorgung eigentlich keine kommunale Aufgabe, wie auch Landrat Sebastian Gruber betonte. Dennoch sehe man sich in diesem Bereich immer mehr zu aktivem Handeln gezwungen, um einem Ausbluten der örtlichen Versorgungssituation entgegenzuwirken, so Gruber. Die beiden Landräte forderten mit Blick auf die Krankenhausplanung des Freistaats daher einen ganzheitliche Betrachtung stationärer und ambulanter Angebote.
Alle Gesprächspartner waren sich einig, dass die bayerische Krankenhauslandschaft angesichts der derzeitigen Situation bestmöglich gestärkt und eine hochwertige wie wohnortnahe Versorgung flächendeckend aufrechterhalten werden soll. Fraktionsvorsitzender Holetschek verwies dabei auch auf den Sieben-Punkte-Plan, den die Bayerische Staatsregierung kürzlich als Reaktion auf die Krankenhausreform des Bundes vorgelegt hat. Damit seien bereits wichtige Weichen zur Unterstützung der bayerischen Krankenhäuser gestellt. "Wir haben zum Beispiel frühzeitig ein Förderprogramm über 100 Millionen Euro aufgelegt. Im Sieben-Punkte-Plan sind viele Maßnahmen enthalten, die den bayerischen Krankenhausträgern helfen, die anstehenden Umstrukturierungen zu meistern. Bayern steht an der Seite der Krankenhäuser!"
Die Staatsregierung richte ihren Fokus auf die konkreten Bedürfnisse in der Region. "Akzeptanz vor Ort ist unerlässlich, wenn man die Krankenhauslandschaft fit für die Zukunft machen will. Ohne die Rückendeckung der Menschen und Entscheidungsträger vor Ort kann es nicht gehen", unterstrich Holetschek. Weiter bekräftigt der Fraktionsvorsitzende und frühere Gesundheitsminister die Forderung der Kliniken-Verantwortlichen, dass der Freistaat – wo immer möglich – auf Rückforderungen von nicht abgeschriebenen Fördermitteln bei Nutzungsänderungen absehen sollte. Dies sollte vor allem bei erforderlichen Umstrukturierungen gelten, bei denen die früher geförderte Krankenhausimmobilie im gesundheitlichen bzw. pflegerischen Bereich nachgenutzt wird.