Ländliche Entwicklung, Digitalisierung und die Entwicklung von Konjunktur und Industrie im Landkreis: Das IHK-Gremium Freyung-Grafenau befasste sich in seiner Sitzung am vergangenen Mittwoch mit Aspekten der Zukunft und des Fortschritts. „Wir müssen uns überlegen, was die Region braucht und wie wir diese Bedürfnisse erfüllen können“, betonte der IHK-Gremiumsvorsitzende Alois Atzinger. Diese Meinung vertrat auch Roland Spiller, Leiter des Amts für Ländliche Entwicklung in Niederbayern. Als Gastredner stellte er die Arbeit seiner Behörde vor, die insbesondere die Schaffung wirtschaftlicher Kraft in ländlichen Regionen zum Ziel hat. „Es ist wichtig, dass sich die Kommunen ein Profil erstellen und danach arbeiten. Dafür ist ein hohes Maß an Professionalisierung notwendig, aber auch die Zusammenarbeit mit Partnern wie der IHK, den Banken oder den Unternehmern der Region.“ Das ist auch eine erste Erkenntnis der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtags in der IHK-Hauptgeschäftsführer Walter Keilbart und Roland Spiller als externe Experten mitwirken. Eine wichtige Aufgabe des Amts ist die Innenentwicklung zur Stärkung der endogenen Kräfte. So wird etwa daran gearbeitet, Lösungen für Leerstände zu finden und attraktive Arbeitsplätze im Ortskern zu schaffen. „Ohne Wirtschaft geht’s am Land nicht – man braucht Beschäftigung und eine Grundversorgung“, sagte Spiller. Er sprach weiterhin die Themen Mobilität, Tourismus, Logistik, Mobilfunk und Breitbandversorgung an. Sein Kollege Martin Kenneder stellte abschließend die Erstanlaufstelle zur Fördermittelberatung vor, die demnächst im Europahaus Freyung eröffnen wird.
Roland Spiller, Leiter des Amts für Ländliche Entwicklung, der IHK-Gremiumsvorsitzende Alois Atzinger, die stellvertretende Gremiumsvorsitzende Elisabeth Hintermann und IHK-Hauptgeschäftsführer Walter Keilbart im Gespräch.
Die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen und die Industriestruktur der Region standen im Mittelpunkt des zweiten Teils der Sitzung. Der stellvertretende IHK-Hauptgeschäftsführer Martin Frank berichtete von einem moderaten Aufschwung, der sich auf alle Branchen außer den Tourismus erstreckt. Die Geschäftslage ist positiv, rund 95 Prozent der Betriebe empfinden ihre Lage als gut. Lediglich die Erwartungen an die Zukunft sind laut IHK-Konjunkturbericht eingetrübt: Risikofaktoren wie die Uneinigkeit in der EU, der Brexit, die nicht ausgestandene Bankenkrise, das anstehende Wahljahr oder der Fachkräftemangel lassen ein langsameres Wachstum erwarten. Ein Blick auf die IHK-Industriestandortkarte zeigte, dass Niederbayern einen bunten Branchenmix vorweisen kann und der Fokus auf dem produzierenden Sektor liegt. Während das dominierende Moment der Region der Fahrzeugbau ist, liegt der Schwerpunkt im Raum Freyung-Grafenau in den Bereichen Chemie, Kunststoff und Gummiwaren. Außerdem konnte hier mit über 25 Prozent das stärkste Industriewachstum in Niederbayern verzeichnet werden. „Das haben wir der Regionalentwicklung und dem aktiven Wirken der Kommunen zu verdanken“, meinte dazu Atzinger. Abschließend stimmte ein Vortrag zur Digitalisierung die Gremiumsmitglieder auf den öffentlichen Teil der Veranstaltung ein, der sich mit den Chancen und Risiken im Onlinehandel befasste.
Rund 50 Interessenten nahmen an den Fachvorträgen im Anschluss an die Gremiumssitzung teil. Einleitend berichtete Alois Atzinger in seiner Funktion als Vorstand der Raiffeisenbank Am Goldenen Steig vom Umgang der Banken mit den sich verändernden Kundenanforderungen. Er hob das Gleichgewicht von digitaler und stationärer Betreuung als Erfolgsrezept für die Zukunft hervor. Eine ähnliche Herangehensweise zeigte Alfred Michetschläger von Sport Michetschläger auf, der mittlerweile rund 20 Prozent seines Umsatzes über E-Commerce erwirtschaftet. Er warnte aber davor, den Onlinehandel bei erfolglosen stationären Geschäften leichtfertig als Alternative zu wählen: „Wer offline keinen Erfolg hat, wird sich vermutlich online schwertun.“ Auch für das Online-Geschäft braucht es umfassendes Hintergrundwissen und viel Geduld, wie Wilhelm und Alexander Fürst von Autoteile Fürst bestätigten. Nach einer schwierigen Anfangsphase können sie eine stolze Retourenquote von weniger als 3 Prozent vorweisen und steigerten sich innerhalb von sieben Jahren auf einen zweistelligen Millionenumsatz. Sie führten diesen Erfolg auf das ausgeklügelte Prozessmanagement zurück, das sie sich über die Jahre erarbeitet haben. Wilhelm Fürst zeigte sich überzeugt: „Für solche Entwicklungen ist eine Neuinterpretation des Geschäftsmodells erforderlich.“