„DU NORBERT, DA HOCKT EIN NACKTER HETERO AUF DEINEM WOHNZIMMERTISCH UND GRUNZT.“
Die deutsche Filmlandschaft und ihre Komödien. Das war nicht immer von Erfolg gekrönt oder gar wirklich witzig. Vor allem, bevor Michael „Bully“ Herbig (DER SCHUH DES MANITU) oder Erkan Acar (RONNY & KLAID) angefangen haben, Filme zu drehen. Klar, es gab Otto Waalkes (OTTO – DER FILM), es gab Dieter Hallervorden (DIDI – DER DOPPELGÄNGER), aber die deutsche Komödie fristete dennoch irgendwie ein unlustiges Dasein. Doch in den Neunzigern kam ein regelrechter Boom für deutsche Komödien und der klare Wegbereiter dafür war Sönke Wortmann mit seinem Filmdebüt KLEINE HAIE und seinem Durchbruch DER BEWEGTE MANN. Darauf folgten weitere kultige Filme wie BANG BOOM BANG, ABSOLUTE GIGANTEN oder KNOCKIN' ON HEAVEN'S DOOR. Ich will mich heute, in meinem Review, aber auf Wortmanns Mega-Erfolg DER BEWEGTE MANN konzentrieren.
Darum gehts:
Axel (Til Schweiger) ist ein wahrer Herzensbrecher und hat viele Affären. Nur leider ist er eben auch in einer ernsthaften Beziehung. So kommt es, wie es kommen musste, seine Freundin Doro (Katja Riemann) erwischt ihn in flagranti und will sofort, dass er aus ihrer gemeinsamen Wohnung auszieht. Dies befolgt er auch, nur tut sich der junge Casanova schwer, eine neue Bleibe zu finden. Mehr aus Zufall trifft er auf den schwulen Walter (Rufus Beck), der ihm prompt anbietet, bei ihm zu wohnen. Doch durch einen alkoholisierten Zwischenfall landet Axel bei dem eher zurückhaltenden homosexuellen Norbert (Joachim Król) auf dessen Couch. Die beiden gründen schon bald eine WG zusammen und der so heteroisierte Axel lernt eine ganz neue, bunte Welt kennen. Eine kleine verrückte Odyssee zwischen den hetero- und homosexuellen Gesellschaftsstrukturen nimmt seinen Lauf...
In DER BEWEGTE MANN inszenierte Regisseur Sönke Wortmann (DAS WUNDER VON BERN) einen Film, der auf den zwei Comicvorlagen „Der bewegte Mann“ und „Pretty Baby“ von Ralf König basiert und machte daraus eine schräge Komödie. Im Jahre 1994 wollten das 6,6 Millionen Menschen im Kino sehen.
Wie Ralf Königs Comics erzählt auch Wortmann die Geschichte, die in der Schwulen-Szene angesiedelt ist, mit viel Humor und ganz vielen Klischees. Nahezu alle Figuren im Film haben eine überspitzte Charakterzeichnung und muten fast wie Karikaturen an. Der komplette Film fühlt sich sogar manchmal wie eine einzige Parodie an, soll wohl aber auch so sein. Die Atmosphäre der Comics wird gut eingefangen, wenn auch manchmal etwas zu zurückhaltend.
Die Witze und die übertriebene Darbietung gehen mal wieder auf die Kosten der homosexuellen Menschen, na gut, Til Schweigers Figur ist auch nicht unbedingt der Hellste. Dennoch ist dieser Klamauk, aus heutiger Sicht, mehr als altbacken, funktioniert aber irgendwie trotzdem gut.
Der Humor ist derb, überspitzt und auch manchmal triefend schwarz. Ein skurriles Vergnügen über die Tücken des hetero- sowie homosexuellen Alltags.
Der Film fängt mit einer langen Kamerafahrt an, fegt durch den Tanzsaal und endet mit einer Großaufnahme von Til Schweiger. Das Ganze wird untermalt mit der Musik des Palast-Orchesters zusammen mit Max Raabe. Guter Einstieg, wie ich finde, ach was schreib ich, die ersten 10 Minuten des Films sind nahezu perfekt. DER BEWEGTE MANN kann dem anfangs prophezeiten "Spektakel" zwar nicht immer gerecht werden, fällt aber auch nie merklich ab.
Die Figuren sind toll geschrieben und die Dialoge pointiert schamlos, was will man denn mehr? Für damalige Verhältnisse war der Film sehr gewagt und auch heute gibt es noch viel zu wenige Produktionen über solche Themengebiete. Zu der überspitzen Charakterisierung und den deftigen Dialogen gesellt sich zusätzlich ein markant herrliches Spiel mit verschiedensten Dialekten. Diese dienen nicht nur ausschließlich dem Komödiantischen, sondern sollen auch gewisse „Vorurteile“ der Zuschauer wecken, eben das, was wir mit gewissen Dialekten oder Spracheigenheiten verbinden.
Das Schauspiel-Ensemble ist herrlich aufgelegt und hatte wohl jede Menge Spaß am Set.
Selbst Til Schweiger (DER EISBÄR) kann hier als etwas dümmlicher Axel überzeugen. Doch Rufus Beck (DER RÄUBER HOTZENPLOTZ) stiehlt allen die Show. Er ist eine wahre Wucht als Walter alias Waltraud, die offensive Tunte. Seine Darbietung strotzt nur so vor positiver Lebensenergie und denkwürdigen Zitaten. Auch ein Armin Rohde (SO VIEL ZEIT) kann hier wieder sein ganzes Können preisgeben, als Lack-und-Leder-Schwuler, der als arbeitender Metzger einen Vegetarier datet und eine Affinität für Splatter-Movies hat. Herrlich! Natürlich weiß auch ein Joachim Król (LOLA RENNT) als eher zurückhaltender homosexueller Mann zu überzeugen, der ja eigentlich auch die zentrale Figur darstellt und blendend mit Til Schweiger harmoniert. Regisseur Wortmann und Produzent Bernd Eichinger (DIE UNENDLICHE GESCHICHTE) haben hier einen bunten Cast zusammengestellt und zusammen mit ihnen Figuren kreiert, die wirklich jedes Klischee ausreizen.
Genau dieses Ausreizen und das Aufzeigen vieler alberner, exzentrischer Situationen beschert uns so einige denkwürdige Szenen. Das amüsante Wechselspiel von leisem Humor und alles übertönendem Klamauk ist präzise getaktet und zeigt Sönke Wortmanns wunderbares Gespür für komödiantische Inszenierungen.
DER BEWEGTE MANN beschreibt auf unnachahmliche Weise ein gewisses lebensbejahendes Gefühl, welches die Fronten zwischen den verschiedensten sexuellen Neigungen durchbricht und auch niemals wertet. Der Film mag für viele albern wirken, trägt aber eine charmante Botschaft in sich. Wir sind doch alle nur Menschen, egal wen oder was wir lieben, haben alle unsere Macken, und tief in unserem Inneren sind wir eben alle gleich. Das ist eine Botschaft voller Respekt, Feingefühl und lebensfroher Liebe.
Damals wie heute gut und noch immer zum Lachen! DER BEWEGTE MANN ist ein komödiantischer Meilenstein der deutschen Filmgeschichte.