„Häufig wird über Rot gefahren“

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01.09.2024
Passau

Integrationsdienste (IFD) Passau und Deggendorf tauschten sich mit der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB®) über Synergien im Wirkungsfeld von Schwerbehinderung und Beschäftigung aus.

 

Die Zahlen der statistischen Ämter belegen es: In Bayern waren 2023 1,2 Mio. Menschen von einer Schwerbehinderung betroffen, deutschlandweit sind es 7,9 Mio. Obgleich bei Betroffenen im Vergleich zum Vorjahr die Arbeitslosigkeit gesunken ist, liegt diese immer noch doppelt so hoch wie bei der Allgemeinquote. In Zeiten des Fachkräftemangels ist dieser Umstand schwer nachvollziehbar. Rund 175.000 Betriebe sind in Deutschland dazu gesetzlich verpflichtet, mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsstellen an Menschen mit Behinderung zu vergeben. Laut dem „Inklusionsbarometer 2023“ sank aber die Zahl der Betriebe, die ihre Pflichtarbeitsplätze besetzen - erstmals auf 39 Prozent und befindet sich damit auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Erhebung vor elf Jahren. Die logische Konsequenz: Es gibt zunehmend Betriebe, die lieber eine Ausgleichsprämie zahlen, anstatt Arbeitende mit Schwerbehinderung einzustellen.  

 

„Sozialpflichtige Arbeit ist für Menschen mit Beeinträchtigungen sehr wichtig: Sie wollen an der Gesellschaft teilhaben, sich einbringen, wollen der Allgemeinheit auch etwas zurückgeben. Immer wieder gehen dabei betroffene Arbeitnehmer aber auch über die Grenzen ihrer Belastbarkeit hinaus“, weiß Frauke Schmid vom Inklusionsfachdienst in Deggendorf. „Das ist dann, wie wenn man immer wieder über die rote Ampel fährt. Der Körper schaltet dann ‚auf Rot‘. Der Klient wird arbeitsunfähig und fällt entgegen seinen Absichten aus.“ 

 

Die Integrationsfachdienste beraten, begleiten und vermitteln in diesen Belastungssituationen – zwischen betroffenen Arbeitnehmern und den Arbeitgebern. Auch beim Verfahren des betrieblichen Eingliederungsmanagement (BEM) nimmt der IFD als vertrauensvoller Partner seine Aufgabe wahr. „Vielfach wissen Betriebe gar nicht, dass sie sich an den IFD wenden können“, so Andreas Dietz vom IFD Passau. „Wir können Fördermöglichkeiten aufzeigen, auch finanzieller Art.“ 

 

Die Integrationsfachdienste (IFD) sind flächendeckend in allen Regionen Bayerns vertreten. Sie bieten im Auftrag der Agentur für Arbeit, des Integrationsamts und weiteren Reha-Trägern ihre soziale Dienstleistung an. Sie sind also keine private Arbeitsvermittlung für Menschen mit einer Schwerbehinderung. Der IFD unterstützt vielmehr bei der Suche von geeigneten Ausbildungsmöglichkeiten und Arbeitgebern, coacht im Bewerbungsverfahren und begleitet bei Betriebspraktika. Der IFD berät auch Arbeitgeber und Arbeitnehmer bei Problemen im Betrieb und sucht im konstruktiven Dialog nach Lösungen. Darüber hinaus begleiten die Fachdienste Menschen mit Behinderung, wenn sie sich am ersten Arbeitsmarkt ausprobieren möchten. 

 

V.li. Margarethe Aigner (EUTB), Andreas Dietz (IFD Passau), Claudia Maria Grimsmann (EUTB) und Frauke Schmid (IFD Deggendorf).

 

„Gerade einmal vier Prozent kommen mit einer Schwerbehinderung zur Welt oder haben ihre Beeinträchtigung von frühster Kindheit an. Die meisten unserer Ratsuchenden sind erst im Laufe ihres Lebens – etwa durch Unfall oder einer plötzlichen chronischen Erkrankung – von der Schwerbehinderung betroffen. Keiner ist sicher davor“, schlussfolgert Margarethe Aigner von der EUTB-Beratungsstelle in Waldkirchen. „Meist sind Betroffene und deren Angehörige dann heillos von ihrer Situation überfordert und fühlen sich dieser neuen Situation völlig ausgeliefert. Als Hilfestellung werden die Integrationsfachdienste z.B. in Passau, Straubing oder Deggendorf von uns als EUTB Bayerwald ganz schnell hinzugezogen, je nachdem wo sich der Arbeitgeber befindet.“  

 

Häufige krankheitsbedingte Ausfälle, Unverständnis bei Arbeitgebern und Kollegen – das schwindende Vertrauen in die eigene Gesundheit und Belastbarkeit - Claudia Maria Grimsmann, von der  EUTB in Grafenau und in Regen, erinnert sich: „Einer meiner ersten Einsätze als EUTB-Peerberaterin (Anm. d. Red.: Peer = Selbstbetroffene) war eine junge Frau, die mit dem neuen Chef nicht klar kam, als ihr eine schwere chronische Erkrankung diagnostiziert wurde. Die Frau konnte nicht mehr für Wochenend-, Feiertags- und Nachtschichten disponiert werden. Sie konnte aufgrund ihrer motorischen Handicaps auch bestimmte Tätigkeiten nicht mehr ausführen. Der Arbeitgeber setzte ihr mit subtilen Attacken so zu, dass die Betroffene kurz davor war, selbst zu kündigen.“ Der regionale Fachdienst wurde auf Anraten der EUTB Bayerwald umgehend von der Betroffenen eingeschaltet. Der IFD wandte sich an deren Vorgesetzten, mahnte eine sachliche Dialogbereitschaft an und prüfte, ob es für die Betroffene im Unternehmen nicht einen geeigneteren Einsatz geben würde. Die Experten zeigten auch eine finanzielle Unterstützung für das Unternehmen auf.  „Die Ratsuchende hatte  – trotz der positiven Aussichten – dann doch den Arbeitgeber gewechselt. Aber die Unterstützung des IFD half, dass die Arbeitsfähigkeit einer hoch qualifizierten Fachkraft dem ersten Arbeitsmarkt erhalten geblieben ist. Der IFD ist für uns einer der wichtigsten Partner, wenn es um Fragen von Behinderung und Arbeitswelt geht!“ 

 

Kurz erklärt: Zuständigkeiten beim Integrationsdienst (IFD) Berufliche Sicherung (also Menschen, die ein Arbeitsverhältnis haben):

  • Andreas Dietz: Arbeitsplätze in Stadt/Landkreis Passau und Freyung-Grafenau – Telefon: 0851 988 31 00
  • Rita van Eckert: Arbeitsplätze in Stadt/Landkreis Straubing und Deggendorf - Telefon: 0991 40 22 78 41
  • Frauke Schmid: Arbeitsplätze in Stadt/Landkreis Regen und Deggendorf – Telefon: 0991 40 22 78 41

 

Die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB®) bietet Menschen mit Behinderungen und von Behinderung bedrohten Menschen sowie deren Angehörigen eine kostenlose und unabhängige Beratung. Ziel ist es, die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu fördern und die Selbstbestimmung der Ratsuchenden zu stärken. Die EUTB wurde mit dem neuen Bundesteilhabegesetzt (SGB IX) als Beratungsangebot im § 32, SGB IX dort verankert und wird vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales und der Fachstelle der Teilhabeberatung in Berlin koordiniert.  Zwischenzeitlich gibt es weit über 500 EUTB-Beratungsstellen im Bundesgebiet. „Auch Ratsuchende aus Berlin oder Brandenburg sind schon bei mir ‚gelandet‘. Sie kamen mehrheitlich über unseren Teilhabe-Atlas im Internet und kontaktierten mich wegen der Möglichkeit zur Videoberatung“, erklärte Grimsmann. „Wir sind nicht auf eine Region in unserer Tätigkeit festgelegt, sondern beraten Betroffen quer durch die Republik!“


Die EUTB Bayerwald-Standorte sind:

  • EUTB-Beratungsstelle Regen | Am Grubhügel 8
  • EUTB-Beratungsstelle Grafenau | Spitalstraße 17
  • EUTB-Beratungsstelle Waldkirchen | Erlenhain 6 

- JS


Kreis-Caritasverband Freyung-Grafenau e.V.Firmenpartner-BronzeWAIDLER Partner BronzeFreyung

Quellenangaben

caritas frg

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