Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger stärken den Pharmastandorten Bayern und Deutschland den Rücken. Gemeinsam mit Pharmaverbänden und Herstellern unterzeichneten sie am Montag in München eine Gemeinsame Erklärung des Bayerischen Pharmagipfels 2024, die zielgerichtete Maßnahmen zum Erhalt und zur Stärkung der Arzneimittelproduktion benennt und zentrale Forderungen an Bundesregierung und EU-Kommission richtet.
Gerlach betonte anlässlich des Pharmagipfels: „Oberstes Ziel ist es, die Arzneimittelversorgung der Bürgerinnen und Bürger in Bayern sicherzustellen. Dazu brauchen wir einen zukunfts- und wettbewerbsfähigen Pharmastandort Deutschland und Europa. Der Bayerische Pharmagipfel schlägt in wichtigen Handlungsfeldern eine Reihe von Maßnahmen vor, mit denen wir dieses Ziel erreichen können. Ganz wesentlich sind für uns die Stärkung der Lieferketten und der Versorgungssicherheit, die Sicherstellung des Zugangs zu Arzneimitteln für seltene Krankheiten und die Weiterentwicklung der Preisregulierung in Deutschland.“
Aiwanger lobte die gute Zusammenarbeit mit der Pharmaindustrie, die sich in der Tradition des Bayerischen Pharmagipfels widerspiegelt: „In unserer gemeinsamen Erklärung legen wir Wert auf die Entwicklung neuer, innovativer Arzneimittel – und zwar auch für die vielen Patienten, die an einer der 7.000 seltenen Erkrankungen leiden, für die es bis heute keine Therapie gibt. Hierfür brauchen wir klinische Forschung und eine bessere Nutzung von Patientendaten. Vor allem müssen die administrativen Hemmnisse reduziert und die Digitalisierung gestärkt werden, damit in Deutschland wieder mehr Studien durchgeführt werden. Viele unserer Vorschläge aus dem letztjährigen Positionspapier der AG Klinische Forschung wurden vom Bund im Medizinforschungsgesetz aufgegriffen. Wir hoffen, dass auch die Impulse aus diesem Jahr schnellstmöglich umgesetzt werden.“
Gerlach ergänzte: „Wenn wir den Pharmastandort Deutschland wettbewerbsfähig halten wollen, müssen die aktuellen Preisregulierungsmaßnahmen auf den Prüfstand gestellt und das Rabattvertragssystem weiterentwickelt werden. Von der EU fordern wir, das EU-Pharmapaket nachzujustieren. Insbesondere sollte die vorgesehene Verkürzung des Unterlagenschutzes für Arzneimittel gestrichen werden. Nicht zuletzt ist es unabdingbar, Gesundheitsdaten für Forschung und Innovation von Arzneimitteln besser nutzbar zu machen.“
Aiwanger forderte vom Bund mehr Erleichterungen für die Pharmabranche und sagte: „Neben dem gesellschaftlichen Nutzen dürfen wir die volkswirtschaftliche Bedeutung der Pharmabranche nicht unterschätzen. Mit rund 35.000 Beschäftigten und 5,1 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung ist sie eine wichtige Säule des Wirtschaftsstandorts Bayern. Um diese Wirtschaftskraft auch künftig zu erhalten, brauchen wir praktikablere Ansätze und weniger Bürokratie. In Großbritannien und Frankreich haben beispielsweise digitale Kostenkalkulationstools zur extremen Beschleunigung der Vertragsverhandlungen geführt. Und in Deutschland fehlt es noch an einem Musterkostenkatalog als Basis für Budgetverhandlungen.“
Prof. Dr. Hagen Pfundner, Vorsitzender der Geschäftsführung der Roche Deutschland GmbH für den vfa erklärte: „Das EU-Pharmapaket, dessen Maßnahmen den Standort Europa für Forschung und Entwicklung wieder attraktiver machen sollen, benötigt in der Tat eine Nachjustierung. Eine faktische Verkürzung des Unterlagenschutzes – auch mit den bereits von der EU-Kommission vorgeschlagenen Änderungen – hätte gravierende Folgen: die Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit würde geschwächt, was wiederum zur Verschlechterung der Versorgungssituation, insbesondere mit innovativen Arzneimitteln, in Europa, Deutschland und Bayern führen könnte. Ein starker Patent- und Unterlagenschutz ist der zentrale Innovationsanreiz und Grundlage der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.“
Dr. Holger Zimmermann, Chief Research and Development Officer bei AiCuris Anti-infective Cures GmbH für BIO Deutschland ergänzte: „Ein starker Patentschutz ist unverzichtbar für biomedizinische Innovationen, denn nur mit einem verlässlichen und gesicherten Patentportfolio können Investoren für Start-ups gewonnen werden. Und Entwicklungen aus Biotech-Gründungen sind wichtiger Treiber der pharmazeutischen Wertschöpfungskette, ganz besonders auch im Bereich der Orphan Drugs. Rund die Hälfte der Wirkstoff-Innovationen der Pharmaindustrie kommen aus Biotechnologie-Unternehmen.“
Oliver Kirst, Geschäftsführer Servier Deutschland GmbH für den BPI fügte hinzu: „Die seit 2011 geltende Nutzenbewertung neuer Arzneimittel und die darauf basierenden Preisverhandlungen hatten zum Ziel, Wirtschaftlichkeit und Zugang zu innovativen Therapien in ein neues Gleichgewicht zu bringen. Mit den im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz 2022 eingeführten ‚Leitplanken‘ für Innovationen mit nicht mindestens beträchtlichem Zusatznutzen wurde dieser Konsens aufgekündigt. Insbesondere bei den sogenannten Orphan Drugs für seltene Erkrankungen zeigt sich diese Preisdeckelung bereits jetzt als großes Investitions- und Innovationshemmnis. Aus ethischen Gründen oder wegen geringer Patientenzahlen können für Orphan Drugs die methodischen Vorgaben oft gar nicht erfüllt werden, um einen beträchtlichen Zusatznutzen zu erlangen. Dies kann dazu führen, dass Arzneimittel in Deutschland vom Markt genommen oder gar nicht erst angeboten werden. Für den Pharmastandort Deutschland fordern wir deshalb die Abschaffung der Leitplanken und eine innovationsfreundliche Ausgestaltung der Regelungen zu seltenen Erkrankungen.“
Thomas Weigold, Country President Sandoz Germany & CEO Hexal AG für Pro Generika erläuterte: „Im Bereich der Generika hat der enorme Kostendruck über viele Jahre zur Marktkonsolidierung und Konzentration auf weltweit nur wenige Produktionsstätten in Drittstaaten geführt. Diese Konzentrationseffekte befördern Lieferengpässe und massive geopolitische Abhängigkeiten. Das ALBVVG kann die Versorgungsmisere bei Generika nicht lösen und Fälle wie Tamoxifen nicht verhindern. Mit der Umsetzung der automatischen Substitution für Biologika in Apotheken wiederholt die Bundesregierung zudem dieselben Fehler, die schon bei Generika die Versorgungssicherheit massiv gefährden, und plant die Spar-Schraube noch stärker zu überdrehen. Was es braucht, ist ein neues Anreizsystem für die generische Grundversorgung, ein Abschalten von Rabattverträgen für versorgungskritische Arzneimittel und ein Stopp der Ausweitung der aktuell geltenden Substitutionsregelung für Biologika. Dort, wo Rabattverträge gelten, ist es wichtig, in den Vergabekriterien auch Aspekte wie Liefersicherheit, Nachhaltigkeit und Standort der Produktion zu berücksichtigen und Mehrfachvergaben obligatorisch zu machen.“
Dr. Günter Auerbach, Geschäftsführer Dr. Pfleger Arzneimittel GmbH für Pharma Deutschland erklärte: „Der Pharmastandort Bayern muss stark und zukunftsfähig gestaltet werden – dafür setzen wir uns ein und sind der Bayerischen Landesregierung für ihre Fokussierung auf die Versorgungssicherheit sehr dankbar. Doch geht es darüber hinaus aber auch darum, in einem langfristig ausgerichteten Innovations- und Forschungsprozess die Weichen für den medizinischen Fortschritt von morgen zu stellen. Der Bayerische Pharmagipfel 2024 benennt die große Bedeutung der Forschung und arbeitet an den Rahmenbedingungen für eine bessere Nutzung von Gesundheitsdaten.“
Der Bayerische Pharmagipfel findet seit 2015 in enger Zusammenarbeit von Gesundheits- und Wirtschaftsministerium statt. Er hat sich zu einem wichtigen Forum für den Dialog von Spitzen aus Politik und Pharmaindustrie entwickelt, bei dem notwendige Weichenstellungen für einen starken Pharmastandort Deutschland beraten und Verbesserungen angestoßen werden.
Der Beitrag Gerlach und Aiwanger stärken Pharmastandort Bayern den Rücken – Bayerns Gesundheitsministerin und Bayerns Wirtschaftsminister veranstalten Bayerischen Pharmagipfel in München – Gemeinsame Erklärung mit Pharmaverbänden unterschrieben erschien zuerst auf Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention.