Zukunftsaussichten im Baugewerbe nicht rosig
Die Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz vertritt Arbeitnehmer, Auszubildende und Arbeitgeber. Sie ist die größte Bildungskammer im deutschen Handwerk. Das Bildungszentrum in Passau ist eines von insgesamt 11 Zentren und aktuell das drittgrößte und modernste. In Niederbayern und der Oberpfalz gibt es rund 42.000 Handwerksbetriebe mit 13.000 Auszubildenden. Das ostbayerische Handwerk beschäftigt über 219.000 tätige Personen und erwirtschaftet einen Nettoumsatz von 38,0 Milliarden Euro. „Wir sind also eine ernst zu nehmende Wirtschaftsgröße,“ erläuterte Hauptgeschäftsführer Jürgen Kilger seinem Besucher MdL Martin Behringer von der Freie Wähler Landtagsfraktion.
Kritisch merkte Kilger an, dass das Handwerk mit Bürokratie und einem Regulierungswahn geradezu erstickt werde und die Bauwirtschaft praktisch zum Erliegen gekommen sei. Nicht zum ersten Mal hört Behringer bei seinen Terminen im Wahlkreis, dass neben dem Fachkräftemangel die politischen Entscheidungen für das Schlingern der Wirtschaft verantwortlich gemacht werden. Als Mitglied im Ausschuss Wohnen, Bau und Verkehr weiß er, dass junge Familien durch die gestiegenen Baukosten und die höheren Zinsen verunsichert sind und die Investition in ein eigenes Haus scheuen.
Foto von links nach rechts: Josef Sailer Leiter Bildungszentrum, Jürgen Kilger Hauptgeschäftsführer, Vizepräsidentin Claudia Geiselhöringer, MdL Martin Behringer
„Und die Förderpolitik war ein entscheidender Punkt für den Einbruch der Nachfrage“, so Behringer. Die weitreichenden Folgen erläuterte Kilger am Beispiel von Wärmepumpen und Photovoltaikanlagen. Im Neubau ist die Wärmepumpe in Kombination mit einer Photovoltaikanlage schon seit Jahren beliebt, vor allem im ländlichen Raum, wo Gas und Fernwärme nicht zur Verfügung stehen. Sanitär- und Heizungsfirmen konnten der hohen Nachfrage zeitweise nicht gerecht werden, wegen der langen Lieferzeiten für die Geräte und bevorrateten sich entsprechend ihrer Erwartungen. Die politische Debatte über Vorschriften und Förderkriterien im vergangenen Jahr wurde lang und öffentlich geführt. Dabei ist viel Vertrauen verloren gegangen und die Auswirkungen spürt das Handwerk deutlich. Im ersten Quartal 2024 fiel bei Wärmepumpen der Einbruch mit 52 Prozent besonders stark aus. Und in der Folge bleiben Betriebe auf ihren Wärmepumpen und PV-Modulen sitzen. Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Preise verbilligt haben und damit der Wert des Lagerbestandes zum Teil bis zur Hälfte des Einkaufswerts sank.
Zur Kaufzurückhaltung der Kunden kommt hinzu, dass auch das Handwerk einer Reihe von Preissteigerungen ausgesetzt ist. In der Folge sind Preiserhöhungen unvermeidlich, was sich wiederum negativ auf das Kaufverhalten auswirkt. „Das setzt zahlreiche Betriebe massiv unter Druck,“ so Kilger. „Die Zunahme der Insolvenzen im Bauhauptgewerbe ist besorgniserregend und gerade dieser Sektor ist volkswirtschaftlich besonders relevant. Inzwischen spüren auch familiengeführte Betriebe diese Entwicklung und sie sind wichtige Standbeine unserer Region“, bekräftigte Behringer.
Im Verlauf des Rundgangs durch die Hallen des modernen Bildungszentrums machte Behringer deutlich, dass es überfällig sei, dass die Politik den Wert der Ausbildung im Handwerk endlich anerkenne. Kilger ergänzte, dass die berufliche Bildung gegenüber dem akademischen Bildungsweg ideell und finanziell übervorteilt werde. „Das Ergebnis bekommen wir jetzt zu spüren. In allen Branchen fehlen gut ausgebildete Fachkräfte.“ Als Erfolgsprojekt bezeichnete er den verpflichtenden «Tag des Handwerks» an allgemeinbildenden Schulen in Bayern. Als einen Meilenstein für die Gleichwertigkeit und Finanzierbarkeit beider Berufswege nannte er die Erhöhung des Meisterbonus und die Verankerung der Berufsorientierung im bayerischen Schulgesetz. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Beschäftigungswachstum in Deutschland fast nur noch auf Arbeitskräfte aus dem Ausland zurückzuführen ist. „Geflüchtete verbessern durch eine Berufstätigkeit ihre Deutschkenntnisse und werden damit schneller unabhängig von Sozialleistungen. Durch ihre Arbeit bekommen die Menschen Wertschätzung und Akzeptanz. Und das ist die Voraussetzung für eine gelingende Integration,“ davon ist Behringer überzeugt.
In den neuen Werkstätten und Unterrichtsräumen werden die Überbetriebliche Ausbildung und die Weiterbildung für Kraftfahrzeugmechatroniker, Schreiner und Zimmerer aus der Region umgesetzt. Das Bildungszentrum bietet drei Werkstätten für den Kfz- und E-Mobility-Bereich, zwei Werkstätten für das Schreinerhandwerk sowie zwei Werkstätten für das Zimmererhandwerk. Hinzu kommen vier Lehrsäle. Beeindruckt war Behringer von der hochmodernen Ausstattung, die "zeitgemäße Aus- und Weiterbildungsstandards für das Schreiner-, Zimmerer- und Kfz-Handwerk" ermöglicht und den Arbeitsproben, an denen fleißig gewerkelt wurde.
Behringer, selbst gelernter Bäcker und Konditor, weiß, dass Ausbildungsberufe unabdingbar sind. „Sie sind die Basis des gesamten ökonomischen Erfolges und Wohlstandes und ich setze mich dafür ein, dass berufliche Bildung einen neuen Stellenwert bekommt.“