Interreg-Projekt soll Lebensraum der Bachforelle in Bayer- und Böhmerwald erforschen und Schutzkonzepte entwickeln
Die Bachforelle in den Flussläufen des Böhmerwaldes ist gefährdet: Steigende Temperaturen und längere Trockenperioden durch den globalen Klimawandel, wachsender Druck durch Prädatoren und häufig auftretende Fischkrankheiten machen den Tieren zu schaffen. Das Interreg-Projekte „Lebende Juwelen unter der Wasseroberfläche des Böhmerwaldes“ hat sich zum Ziel gesetzt, dem entgegenzuwirken. Durch ein breites Monitoring an über 150 Standorten beiderseits der Grenze zwischen Bayern und Tschechien sollen die dort lebenden Populationen genau erforscht und Schutzkonzepte entwickelt werden. Die Gesamtkosten des von der EU geförderten Projekts, bei dem die Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava, der Bezirk Niederbayern, die Universität Budweis und Biology Center CAS zusammenarbeiten, belaufen sich auf insgesamt 1,4 Millionen Euro. Losgehen wird es voraussichtlich am 26. August.
Auf der Pressekonferenz präsentierten das Projekt (von links) Dr. Stephan Paintner, Leiter der Fachberatung für Fischerei des Bezirks Niederbayern, Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, Ursula Schuster, Leiterin des Nationalparks Bayerischer Wald und Pavel Hubený, Direktor des Nationalparks Šumava.
Mittels Elektrofischerei und DNA-Analyse wollen die Forscher die genetische Vielfalt und die Herkunft der Forellen bestimmen. Aufgenommene Umwelteigenschaften sowie Wasser- und Sedimentproben liefern zudem Erkenntnisse über das Vorkommen und die Dichte parasitärer Myxozoen, die die Forellenkrankheit PKD (Proliferative Nierenerkrankung) hervorrufen können und damit der natürlichen Population zusetzen. Die beteiligten Partner stellen die Forschungsergebnisse den für die natürlichen Fließgewässer zuständigen Institutionen im Programmgebiet zur Verfügung, um die dortige Bachforellenpopulation zu schützen und so den Kulturraum Böhmerwald in seiner ursprünglichen Form zu bewahren.
Trafen sich auf dem Gelände des Fischereilichen Lehr- und Beispielsbetriebs des Bezirks Niederbayern (von links): Dr. Stephan Paintner, Fachberatung für Fischerei des Bezirks Niederbayern, Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, Pavel Hubený, Direktor des Nationalparks Šumava, Ursula Schuster, Leiterin des Nationalparks Bayerischer Wald, Projektleiterin Dr. Linda Seifert, Teresa Weistermeier, Fachberatung für Fischerei des Bezirks Niederbayern, Michael Halmbacher, Betriebsleiter des Fischereilichen Lehr- und Beispielsbetriebs, Dr. Petr Blabolil vom Biologischen Zentrum CAS und Prof. Dr. Jaroslav Vrba, Universität Südböhmen, Budweis.
Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich lobte bei der anlässlich des Projekt-Starts Ende August abgehaltenen Pressekonferenz vergangenen Dienstag die Arbeit und das Engagement aller beteiligten Partner. „Grenzüberschreitende Zusammenarbeit ist in diesen turbulenten Zeiten wichtiger denn je – besonders, wenn es um den Erhalt unserer Natur geht. Ich freue mich sehr, dass sich der Bezirk Niederbayern als Partner an diesem Projekt beteiligen kann. Schließlich versuchen wir mit zahlreichen Initiativen, unsere Heimat in ihrer Vielfalt zu bewahren. Das gilt für Baukultur, für unsere niederbayerischen Traditionen und natürlich ebenso für unsere Umwelt und die in ihr heimischen Arten. Ich bin davon überzeugt, dass die Ergebnisse der intensiven Forschungsanstrengungen dazu beitragen werden, die Bachforelle im Bereich des Böhmerwaldes zu schützen – und, dass das Interreg-Projekt ,Lebende Juwelen unter der Wasseroberfläche des Böhmerwaldes‘ die Zusammenarbeit zwischen Bayern und Tschechien nachhaltig stärken wird.“
Teresa Westermeier von der Fischereifachberatung des Bezirks Niederbayern fischt Bachforellen aus dem Kolbersbach, um sie später zu untersuchen.
Pavel Hubený, Direktor des Nationalparks Šumava: „Die Natur im Böhmerwald ist seit fünf Jahrzehnten auf dem Weg zur Wildnis. Ziel ist es, die natürlichen Prozesse im überwiegenden Teil der beiden Nationalparke freizusetzen. In einem kleineren Teil des Gebietes kümmern wir uns langfristig um die Artenvielfalt und den Lebenskomfort der lokalen Bevölkerung. Während das Biodiversitätsmanagement durchaus planbar ist und sich erfolgreich auf die gesetzten Ziele zubewegt, bringt die Wildnis viele neue und bisher wenig bekannte Prozesse mit sich. Wir versuchen, ihre Effekte zu beobachten und auszuwerten, doch sie spielen sich oft unter der Oberfläche der üblichen Sichtweise ab. Das Projekt ,Lebende Juwelen unter der Wasseroberfläche des Böhmerwaldes‘ wird uns das Wissen über die Vorgänge bringen, die sich unter der wirklichen Oberfläche abspielen und uns umso mehr verborgen sind. Auch in den Bächen des Böhmerwaldes gibt es Wildnis, und wir müssen wissen, wie sie sich abspielt und wie die Wassertiere auf verschiedene Situationen reagieren. Dies ist eine äußerst wichtige Arbeit, die neue Informationen liefert, die für ein umfassendes Verständnis der Tierwelt Mitteleuropas wichtig sind“.
Die Leiterin des Nationalparks Bayerischer Wald, Ursula Schuster, und Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, begutachten eine der Bachforellen, die im Zuge des Projekts untersucht werden soll.
Ursula Schuster, Leiterin des Nationalparks Bayerischer Wald: „Wir als Nationalparkverwaltung freuen uns, dass wir das Projekt, bei dem deutsche und tschechische Wissenschaftler das Forellenvorkommen im Böhmerwald dokumentieren, unterstützen können. Den Lebensraum Gewässer haben wir im Nationalpark schon lange im Blick. Vor 50 Jahren stand es noch schlecht um die Lebensgemeinschaften im Wasser. Vom Menschen erzeugte Schadstoffe hatten die Wasserqualität der Bäche selbst im Inneren Bayerischen Wald in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark verschlechtert. Seit 1983, seit Inkrafttretens des Genfer Luftreinhalteabkommens, hat sich das Blatt gewendet: Auch Mühlkoppe und Bachforelle haben nun ihren angestammten Lebensraum wiederbesetzt. Dass dies auch so bleibt, dabei kann uns das Projekt ,Lebende Juwelen unter der Wasseroberfläche des Böhmerwaldes‘ helfen. Denn ein Ziel ist es, ein abgestimmtes grenzübergreifendes Konzept zum Schutz der natürlichen Bachforellenpopulationen zu erarbeiten.“