Umwelttag im Markt Schönberg zeigte, wie sich kommunale Wassersysteme entwickeln
Beim ersten Schönberger Umwelttag ging es vor knapp 100 Zuhörern aus Kommunen und Fachstellen hauptsächlich um die Abwasserbehandlung. Aber das Thema ist weit größer, sagt Jürgen Murr, der als Fachmann vor Ort die Informationsveranstaltung organisiert hat. Heute geht es in kommunalen Wassersystemen vom Regentropfen über Trinkwasserversorgung bis zur Vermeidung von Hochwasser oder Mikroplastik. Bei Vorträgen, Diskussionen und einer Anlagenbesichtigung gab es Einblicke in aktuelle und künftige Technologien.
„Der Begriff Klärwärter ist sowas von gestern!“ Jürgen Murr bringt es auf den Punkt: „Wir sind nicht einfach die, die nur die Sch .. umrühren.“ Beim Programmpunkt „Neuordnung Umwelttechnischer Berufe“ erklärte Dr. Andreas Lenz von der Bayerischen Verwaltungsschule in München dann auch, warum es bei Berufsbildern nach den Fachkräften für Wasserver- und Abwasserentsorgung nun in Richtung „Umwelttechnologe für Abwasserbewirtschaftung“ geht. Nicht wegen eines noch schöneren Begriffs, sondern weil es den Kern trifft. Ein moderner Aspekt daraus lautet zum Beispiel „Schwammstadt“. Wurde über Jahrzehnte hinweg eher autoorientiert Fläche versiegelt, so geht es jetzt in Richtung Regen aufnehmen, speichern, nutzen. Zum Beispiel als natürliche Klimaanlage durch Verdunstung, für stabilere Grundwasserpegel und gegen vernichtende Hochwasser wegen eines zu schnellen Abflusses. Eine dezentrale Versickerung reduziert zudem Wassermengen, die in Kläranlagen behandelt werden müssen oder auch die Not, unbedingt in aufwändige Trennsysteme investieren zu müssen.
Vor einer Exkursion in die Praxis gab es im KUK in Schönberg Vorträge, Diskussionen und Gespräche. Fachleute, Organisatoren und Multiplikatoren waren unter anderem (v.l.) Prof. Dr. Raimund Brotsack von der TH Deggendorf, Dr. Andreas Lenz von den BVS München, Bürgermeister Martin Pichler, Andreas Gabriel, MSc. Institutsleiter von der Fachfirma VTA, Stellvertretende Landrätin Helga Weinberger, Dr. rer. Nat. Bertram Kuch von der Uni Stuttgart, Bürgermeister Werner Troiber, Jürgen Murr als Organisator und Fachmann vor Ort und PD Dr. Michael Seidel von der TU München.
Abwasserentsorgung ist nicht mehr nur nötiger und lästiger Umgang mit dem verbrauchten Rest. Schönberg macht es schon vor, wie Klärgase dazu eingesetzt werden können, eine durchaus energieintensive Arbeit in weitgehende Energieautarkie umzumünzen. Solarpanels sorgen für Strom für den Betrieb der Anlage; und wenn bei fehlender Sonne Energie genötigt wird, schaltet sich das eigene Blockheizkraftwerk zu. Drei Viertel des Bedarfs kommen so nicht mehr aus dem Netz. Für Erstaunen sorgte das bei Professor Dr. Raimund Brotsack, der zu „Grünen Gasen“ sprach. Schönbergs Kläranlage bringt es auf weit über 80 Prozent Methananteil; deutlich mehr als zu erwarten wäre. Das will er nun erforschen, analytisch begleiten und dokumentieren. Wo vielleicht sonst nur 50 bis 60 Prozent entstehen, da entweicht es zumeist ungenutzt in die Atmosphäre. Dabei ist Methan ein vielfach klimaschädlicheres Gas als etwa CO2, könnte aber eine Schlüsselstelle dabei einnehmen, Wasserstoff in Erdgasnetzen zu einer praktikablen Alternative zu machen.
Was noch im Wasser steckt? Mehr als man denkt und sieht oder riecht. Moderne Analysemethoden wurden schlagartig bekannt, als zu Corona-Zeiten die Abwässer genauere und schnellere Inzidenzen zu liefern in der Lage waren als Labore mit Wattestäbchen. Für künftige Ereignisse dieser Art könne dadurch ein zielgenaueres Maßnahmenpaket geschnürt werden als durch großflächige Quarantänen. Aber auch Daten zu Drogen-Hotspots sind vorstellbar. Für die Fachleute geht es jedoch eher um modernere Verunreinigungen: Mikroplastik, Aromen oder sonstige Spurenstoffe werden in erwarteten Gesetzesregelungen zu neuen Klärstufen führen. Schönberg ist auch hier bereits einen Schritt voraus. Im Rahmen der Klärschlammtrocknung wird Mikroplastik bereits von 144 auf 5 Partikel pro Milliliter reduziert. Dafür braucht es jede Menge Know-how und Anwendungskenntnisse, etwa beim Einsatz von sogenannten Fällmitteln, die hier dafür sorgen dass sich Wasser von Schlamm trennt; oder um künftig kleinste Partikel wie Koffein zu binden, statt es an Bäche und Tiere weiterzureichen.
Wie wichtig es ist, auf wissenschaftliche, technische und angewandte Fachleute bauen zu können, darüber sprach der Ruhmannsfeldener Bürgermeister Werner Troiber. Industrielle Abwässer hatten ihm in der Vergangenheit schon mal schlaflose Nächte bereitet und den Verantwortlichen, also ihn, schlimmstenfalls ins Gefängnis gebracht. Deshalb riet er, eigene Kläranlagen und ihre Mitarbeiter nicht als kommunale Stiefkinder zu betrachten, sondern als Sicherer der Zukunft. Während der Zauderer eher die Ersparnis durch eine aufgeschobene Investition sieht, geht es für den Umwelttechniker um die wirkliche ökologische und finanzielle Einsparung, die durch Kompetenz und Investition entsteht. Jürgen Murr ergänzte diese Ansicht noch durch einen weiteren wichtigen Aspekt des Umwelttags: Hier treffen sich Fachkollegen und Fachfirmen zum vernetzten Fachsimpeln. Bei einem so höchst spezialisierten Bereich: Wen sollte man sonst um guten Rat fragen als seine eigenen Kollegen?