KEHRAUS
Die bayerische Filmszene hat sich in den letzten Jahrzehnten immer wieder durch originelle Werke hervorgetan, doch kaum ein Film schaffte es, die Absurditäten des Lebens und die Bitternis der Ungerechtigkeit so charmant und humorvoll zu beleuchten wie KEHRAUS. Dieses bayerische Meisterwerk der Satire, unter der Regie von Hanns Christian Müller und mit dem kongenialen Gerhard Polt in der Hauptrolle, eroberte 1983 die Leinwände und die Herzen der Zuschauer im Sturm.
A bissl wos über d Gschicht
Der Film entführt uns in die pittoreske Welt Bayerns, wo der Versicherungsvertreter Arno von Mehling, gespielt von Nikolaus Paryla, auf den unglückseligen Gabelstaplerfahrer Ferdinand Weitel, verkörpert von Gerhard Polt (der nie besser war als hier), trifft. Die Begegnung könnte nicht unpassender sein, denn ausgerechnet am Rosenmontag, dem Höhepunkt der Faschingssaison, wird Weitel von Mehling auf übelste Weise über den Tisch gezogen. Dieser schwatzt dem ahnungslosen Arbeiter unsinnige Versicherungen auf. Schockiert stellt Weitel später fest, dass diese Policen fast die Hälfte seines Nettogehalts ausmachen. Statt sich in ausgelassener Stimmung Narrenkappen und Luftschlangen zu widmen, findet Weitel sich plötzlich in einem Strudel aus Versicherungspolicen und Vertragsklauseln wieder.
Er vereinbart einen Termin mit Frau Waguscheit, einer Angestellten bei "Fidelitas" Versicherungen, um einige der bestehenden Versicherungen zu kündigen. Der gewählte Tag soll entweder ein Dienstag oder ein Donnerstag sein. Letztendlich entscheidet er sich für den Faschingsdienstag. Als er an diesem Tag im Büro erscheint, trifft er ausschließlich auf Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mehr mit Feiern beschäftigt sind, als mit ihrer Arbeit.
Herr von Mehling, der von seinen Provisionen abhängig ist, versucht aktiv, Herrn Weitel zu meiden. Jedoch ist sich im sechsten Stock des Gebäudes niemand bewusst, dass sie bereits seit einiger Zeit von der Firmenleitung über Kameras überwacht werden. Das Ziel dahinter ist, eine Reihe von Mitarbeitern zu entlassen, um Kosten zu reduzieren.
Annerose Waguscheit, die Sekretärin, nimmt sich Herrn Weitel an, der verloren durch das Bürogebäude irrt. Sie lenkt ihn geschickt durch das Durcheinander auf dem hausinternen Faschingsball, der geprägt ist von Bier, Champagner, Schnaps, Intrigen und Begierden. Dies führt nicht nur zu einer Konfrontation zwischen Herrn Weitel und Herrn Mehling, sondern auch zu einer explosiven Auseinandersetzung zwischen der Geschäftsführung und den Mitarbeitern in unteren Positionen.
NA A KURZE INFO
Das überaus vielschichtige Drehbuch wurde 1984, völlig verdient, mit dem Deutschen Filmpreis in Gold ausgezeichnet und Gerhard Polt bekam im selben Jahr den Ernst-Lubitsch-Preis für seine herausragende komödiantische Leistung.
DA POLT – JA DER IS GUAD
Gerhard Polt ist ja für seinen scharfzüngigen Humor bekannt wie berüchtigt und versteht es, seinen oft plump wirkenden Witzen Herz und Tiefgang zu verleihen. Genau diese Kombination aus scheinbarer Albernheit und subtiler Botschaft ist es, die KEHRAUS zu einem zeitlosen Meisterwerk macht. Hinter den oft dumpfen, makabren und vulgären Ausdrucksmitteln verbergen sich tiefgreifende Einsichten und eine warme humane Absicht. Der Film erinnert uns daran, dass Lachen und Nachdenken Hand in Hand gehen können, und dass selbst in den absurdesten Situationen ein Funke Wahrheit und Verständnis lauern kann.
Unter der humoristischen Oberfläche von KEHRAUS verbirgt sich jedoch eine ernsthafte Gesellschaftskritik. Der Film ist eine bittere Farce über die Ohnmacht des kleinen Mannes gegenüber einer profitorientierten Bürokratie. Während wir uns köstlich über die turbulenten Verstrickungen und haarsträubenden Missverständnisse amüsieren, die von Mehling und Weitel erleben, wird uns gleichzeitig ein Spiegel vorgehalten, der die absurden Facetten des modernen Lebens und der fragilen Machtverhältnisse in der Gesellschaft reflektiert. Egal wie alt dieser Film auch schon ist, so bedeutsam und aktuell ist er auch heute noch.
KEHRAUS ist eine bayerisch böse Filmperle, die es versteht, uns zum Lachen zu bringen und gleichzeitig unsere Denkprozesse anzuregen. Dank der brillanten Leistungen von Gerhard Polt und seinem Ensemble sowie der geschickten Regie von Hanns Christian Müller bleibt dieser Film ein zeitloser Beweis dafür, dass die besten Satiren mehr sind als nur flüchtige Unterhaltung – sie sind ein Spiegelbild unserer eigenen Welt, der Gesellschaft und eine Einladung, sie mit einem schalkhaften Grinsen zu betrachten und die Ungerechtigkeit so zu bekämpfen.
Servus und Danke, für eure Aufmerksamkeit,
Euer Thomas P. Groh!