SPD-Abgeordnete tauschen sich mit IHK-Geschäftsführung aus
Die niederbayerische Wirtschaft tritt derzeit auf der Stelle. Dies zeigen Ergebnisse des aktuellen Konjunkturberichts der IHK Niederbayern. Die Geschäftslage ist nach wie vor nicht auf dem Vor-Corona-Niveau angekommen, mit Blick auf die zukünftige Entwicklung bleibt die Stimmung unter den niederbayerischen Betrieben verhalten und es wird wenig investiert. Über die Ursachen diskutierten kürzlich die Mitglieder der IHK-Geschäftsführung Alexander Schreiner, Klaus Jaschke und Thomas Graupe mit den beiden SPD-Bundestagsabgeordneten Rita Hagl-Kehl und Johannes Schätzl sowie mit dem Landtagsabgeordneten Christian Flisek.
Flisek spürt im Land derzeit eine „investitionsfeindliche“ Stimmung. Er macht dies fest an einer Vielzahl von Widerständen, die Investitionen erschweren und häufig Betriebsansiedlungen verhindern. „Es ist eine Grundsaturiertheit in der Bevölkerung zu spüren, nach dem Motto `Wir brauchen nichts neues`. Das ist ganz gefährlich für den Industriestandort Niederbayern“, so Flisek. IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner ergänzte: „Wenn wir unseren Wohlstand langfristig halten wollen, benötigen wir Wirtschaftswachstum und damit verbunden Investitionen der Betriebe. Doch dafür brauchen die Unternehmen mehr Planungssicherheit und weniger Restriktionen“, so Schreiner.
Klaus Jaschke führte als Beispiel die häufigen Wenden in der Energiepolitik an, die jedoch bisher nichts am Grundproblem geändert hätten: Die Versorgungssicherheit sei auch im kommenden Winter nicht gegeben, nicht zuletzt, weil der Ausbau der Netze und Speicher zu schleppend voranschreite. Für Schätzl – Mitglied des Beirats der Bundesnetzagentur – ist es wichtig, die Netzausbauplanung in Deutschland ganzheitlich zu sehen: „Zum einen brauchen wir Speicherlösungen, zum anderen werden wir mit der Industrie daran arbeiten müssen, Strom vermehrt dann zu verbrauchen, wann wir ihn produzieren“. Es gelte den Industriestandort Deutschland zu schützen. Dazu brauche es auch einen Industriestrompreis. „Zur Finanzierung rege ich das Überdenken der Schuldenbremse an“, so der Bundestagsabgeordnete.
Rita Hagl-Kehl setzt große Hoffnungen in die Wasserstofftechnologie, da so der produzierte Strom gespeichert werden könne. Die IHK-Vertreter gaben zu Bedenken, dass die Wasserstofftechnologie – so wichtig sie für die Zukunft auch sei – noch Jahre brauche, bis sie wirklich verfügbar sei. „Diese Zeit haben die Betriebe nicht. Wir brauchen klare, verlässliche und bezahlbare Lösungen für die kommenden Jahre“, so Jaschke.
Sprachen über die aktuellen Herausforderungen für die niederbayerische Wirtschaft: (v.r.) IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner, stv. IHK-Hauptgeschäftsführer Klaus Jaschke, MdL Christian Flisek, MdB Rita Hagl-Kehl, MdB Johannes Schätzl und stv. IHK-Hauptgeschäftsführer Thomas Graupe.
Nur ein Problem sehen die niederbayerischen Betriebe als noch drängender an als die Energiethematik – es ist der branchenübergreifende Arbeitskräftemangel. Alexander Schreiner wies die Abgeordneten darauf hin, dass dieses Problem wegen der demographischen Entwicklung und des ungebrochenen Trends zur Hochschule in den kommenden Jahren noch größer werde. Besonders Mitarbeiter mit einer beruflichen Qualifizierung fehlen in den Betrieben. „Wir brauchen deshalb neben erleichterten Zuwanderungsregeln auch eine Aufwertung der beruflichen Bildung“, so Schreiner. Dazu Rita Hagl-Kehl: „Mit dem Aus- und Weiterbildungsgesetz werden wir das Arbeitskräftepotenzial, das wir in Deutschland sowohl an jungen Menschen als auch an bereits ausgebildete Beschäftigten haben, für den sich wandelnden Arbeitsmarkt mobilisieren. Gleichzeitig verbessern wir mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz den Zuzug von qualifizierten Fach- und Arbeitskräften aus dem Ausland gerade in den Branchen, in denen der Bedarf durch inländische Arbeitskräfte nicht gedeckt werden kann.“
Ein weiteres großes Thema, das die Betriebe beschäftigt, ist die überbordende Bürokratie. „Die Unternehmer resignieren hier zunehmend. Trotz vielfacher Hinweise werden die Vorschriften immer mehr statt weniger. Wir brauchen jetzt endlich einen spürbaren Bürokratieabbau mit einer Umsetzung, die bei den Unternehmen auch wirklich ankommt“, so Thomas Graupe. Die SPD-Abgeordneten stimmten zu und verwiesen auf ein neues Bürokratieabbaugesetz, das bald verabschiedet werde. Christian Flisek sieht die Ursachen für die überbordende Bürokratie in Deutschland aber in einem „Mindset-Problem“. „In unserem Land herrscht leider keine Chancen-, sondern eine Risikosicht vor. Dazu kommen das Ressortdenken in der öffentlichen Verwaltung sowie das dort vorherrschende Fachkräfteproblem. Wir müssen hin zu einer Ermöglichungskultur, deshalb bin ich zum Beispiel für Genehmigungsfiktionen“, so Flisek. Die Abgeordneten wiesen zudem daraufhin, dass an der Bürokratieschaffung die Länder erheblichen Anteil hätten, denn der Großteil der Vorschriften habe hier seinen Ursprung. Die IHK-Vertreter erwiderten: „Den Unternehmen ist es egal, ob die Bürokratie von München, Berlin oder Brüssel abgebaut wird. Hauptsache, sie wird endlich abgebaut.“