Am Sonntag, 30. Juli, feiert die Marktbücherei im Pfarrheim in Schönberg ihr 60-jähriges Bestehen. Aber der beste Anlass dafür ist, dass sie nie Staub und Spinnweben angesetzt hat. Sie wird gepflegt und genutzt. Ihr Leiter, Reinhold Hartl, weiß, wie wichtig das ist: „Ohne Lesen geht gar nichts!“
Die „Tonies“ stehen in einem Regal; die Olchis neben der Eiskönigin. Die Kids kennen sie: Kleine Figuren aus Büchern, die selbst voller Hör-Geschichten stecken, wenn sie auf einem internetklugen Würfel mit Lautsprecher gestellt werden. Das eröffnet weite Literaturwelten. Das eröffnet in dem Fall aber zugleich den Weg zum Buch. Denn eigentlich ist Reinhold Hartl Fan vom Selber-Lesen statt Zuhören. Aber jede Zeit hat ihre eigenen Medien.
Eltern nutzen gerne, dass die Marktbücherei ein niederschwelliges, günstiges und umfangreiches Medienangebot bereithält. Kinder sind immer wieder zu begeistern, denn in den Regalen beginnen die wahren Abenteuerwelten in Buchstabenform. In die kann man sich reinblättern und darin förmlich verlieren. Bei etwa 12 000 Medien auf 140 Quadratmetern Fläche und bei noch einmal viel mehr e-Medien über den LEO-Süd-Zugang der Marktbücherei ist für jedes Interesse und jedes Alter eine „unendliche Geschichte“ zu finden.
Begonnen hat alles vor 60 Jahren mit 1 300 Büchern auf engen 18 Quadratmetern im damaligen Kaplanshaus. Aus der katholischen Volksbücherei wurde die Marktbücherei, die 1997 an ihren heutigen Ort zog und seit kurzem vom Markt als Träger und von der Pfarrei als starkem Unterstützer fortgeführt wird. Und natürlich wird sie vom Ehrenamt belebt. 1988 hatte der damalige Kaplan Hans Schmid zu Hartl gesagt: „Du bist doch Lehrer. Das wäre doch was für Dich …!“ Lesen war und ist für ihn immer ein wichtiges Thema. Also ließ er sich „fangen“. Und als Lehrer weiß er auch: „Ohne Lesen geht gar nichts!“ Die unlängst veröffentlichte IGLU-Studie brachte es schmerzlich ans Licht: Am Ende der vierten Klasse hat ein Viertel der Kinder ernsthafte Leseprobleme. Aber wer könnte später in Schule, Berufsausbildung oder Studium dann „sinnentnehmend“ Wissen aus Texten zusammentragen? Wer könnte dann Fremdsprachen erlernen oder seine Kompetenz wiederum in geeigneter Form weiterreichen? Lesekompetenz ist Grundlage dafür, mitten im Leben zu stehen. Tutorials, Podcasts oder Hörspiele sind gute Ergänzungen. Aber der Trend geht dadurch immer mehr in eine Richtung, so Hartl: Menschen in Computerwelten mit der Reaktionszeit eines Jet-Piloten aber der Aufmerksamkeitsspanne eines Kleinkindes. Lesen bedeutet hingegen, dabei zu bleiben.
Marktbüchereileiter Reinhold Hartl will mit seinem ehrenamtlichen Team am Tag der offenen Tür mit Europaaktionen und frischem Lesestoff ebenso anlocken wie mit Glücksrad und Bücherflohmarkt.
In den eigentlich höchst gebildeten Industrienationen steigt die Zahl der „sekundären Analphabeten“ dramatisch an. Und das hat weniger mit Migration zu tun als damit, dass Schulkompetenz im Erwachsenenalter mangels Übung wieder verloren geht. Lesen lernt und behält man nur durch Lesen!
Zum Glück ist der Trend nicht unumkehrbar. Reinhold Hartl verzeichnet nach dem Corona-Knick wieder recht stabile Ausleihen auf hohem Niveau. Es kommen sogar Sachbücher wieder in Mode, die interessant gemacht sind und meiste einen höheren Vertrauensvorsprung genießen als flotte Webportale. Wichtig ist vielmehr, immer neu, aktuell, überraschend oder auch mit gerade In-Literatur versorgt zu sein. Und die Bücherei muss ein angenehmer Treffpunkt sein, der an seinen drei Öffnungstagen Begegnungen und Gespräche zu bieten hat.
Die Marktbücherei bietet vielfältige, aktuelle und interessante Medien, ein Angebot, das viele Erwachsene gerne annehmen. Und das ist gut so, sagt Hartl, denn lesende und vorlesende Eltern haben auch später selbst lesende Kinder. Die Schule kann zwar das Lesehandwerk vermitteln. Aber die Freude daran gibt es zumeist dann im privaten Leben.
Es gibt natürlich auch oft zu Unrecht „vergessene Bücher“ im Bestand, die dann ausgesondert werden müssen. Wenn ein Exemplar über lange Zeit nicht mehr per Ausleihe nachgefragt wird, dann bekommt es seine zweite Chance am Bücherflohmarkt. Wer solche zum Kilopreis retten will, der kann am Tag der offenen Tür, am Sonntag von 11 bis 17 Uhr gerne vorbeikommen. Da parallel das Pfarrfest stattfindet, wird das auch keine trockene Angelegenheit. Der Tag steht unter dem Motto „Europa“. Eine thematische Buchausstellung, eine Mal- und Bastelstation, ein Europaquiz, Lern und Rätselblätter möchten Europa und die EU nahebringen. Zum Schluss kann man sich am Glücksrad noch einen kleine Gewinn erdrehen. Das Europe Direct Büro in Freyung hat für die Durchführung wertvolle Hilfestellung geboten. Und wer sich begeistern lässt, selbst Leseratte werden zu wollen, der kann sich ein Lesejahr gleich mal schenken lassen. Reinhold Hartl ist sich sicher: Der beschenkt sich selbst damit am meisten. Denn so ein Buchdeckel ist wie eine Zaubertüre in unentdeckte Welten, fesselnde Abenteuer und erfolgversprechende Kompetenzen.