Ein Tanz im Mondlicht

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09.06.2023

Eine kurze Geschichte über Liebe, Tod und das Leben.

Eva war eine verwitwete, hundertjährige Frau, die das Alter nicht zu beeinträchtigen schien. Ihr Alltag war trist und eintönig geworden. Die Kinder waren allesamt erwachsen, aus dem Haus und viel zu beschäftigt, um ihre alte Omi oder Uromi mal zu besuchen. Niemand kam vorbei, denn all ihre Freunde waren entweder schon verstorben oder senil, dement im Altenheim. Auch ihre Uhr tickte unaufhaltsam und lief langsam ab. Es war kein schönes Leben mehr, es glich eher einem langweiligen, ohne Sehenswürdigkeiten und sehr traurigen Weg, der geradewegs im Friedhof endet.

 

Eine Leidenschaft hatte sie aber noch...

… Sie ging jeden Sonntag auf den Flohmarkt und eines Tages fand sie dort eine alte Platte, die ihrem verstorbenen Mann gehörte. Ein warmer Schauer lief ihr über den Rücken und sie erinnerte sich:

Es war eine warme Sommernacht als Eva das letzte Mal mit ihrem Mann getanzt hatte.
Sie erinnerte sich auch noch genau an jeden Tag, an dem sie eben jene Lieblingsplatte auflegten und die Nächte durchtanzten und wie sie sich, als ihr Mann schwer krank wurde, geschworen hatten, irgendwann wieder gemeinsam zu tanzen. Doch das Leben, Gott, das Schicksal oder was auch immer, hatte andere Pläne und sie musste ihren Mann viel zu früh gehen lassen.

Jetzt, viele Jahre später, war sie allein und sehnte sich, mehr als je zuvor, nach seinem warmen Lächeln und seinen liebevollen Umarmungen. Als sie nun diese alte Platte wieder in ihren Händen hielt, fühlte sie gleich eine seltsame Verbindung zu ihrem Mann und kaufte das alte, abgenutzte Ding natürlich sofort.

Doch als sie, am selben Tag, Abends versuchte, die Platte auf ihrem Plattenspieler abzuspielen, funktionierte es nicht. Die Enttäuschung war groß, traurig fiel sie in den Sessel, in dem ihr Mann immer saß und Tränen rollten dabei über ihre Wangen. Stunden vergingen, in denen sie regungslos und voller Trauer verweilte. Doch als der Vollmond durch das Fenster schien, geschah etwas Magisches. Der Plattenspieler ging plötzlich an und Eva konnte ihren Augen kaum trauen. Sie sah ihren verstorbenen Mann als Lichtgestalt stehen. Er reichte ihr wortlos die Hand und bat sie, wie früher, zum Tanz. Als der Mondschein, welcher ihren Mann umgab, sie berührte, spürte sie eine unbändige Energie, wie seit Jahren, ach, Jahrzehnten nicht mehr. Das alte Liebespaar tanzte als täten sie nie etwas anderes und als wären sie nie getrennt gewesen. Sie tanzten zusammen wie in alten Zeiten. Als sich ihre Körper innig berührten, verwandelte sich Eva in das Mädchen von früher. Sie tanzten, lachten und spürten sich die ganze Nacht, Eva war glücklicher als je zuvor. Diese erste magische Nacht verging, doch...

... von diesem Moment an überstand Eva ihre einsamen Tage, indem sie auf die magischen Nächte wartete, in denen sie mit ihrem Mann tanzen konnte. Sie konnte es von nun an kaum erwarten, die nächste Nacht zu erleben, in der sie mit ihrem Mann wieder liebend vereint sein konnte. Sie war nicht mehr allein und so glücklich wie man es nur sein kann. So verging ein Tag nach dem anderen und eine wunderschöne Nacht folgte der nächsten.

Doch irgendwann war es auch für Eva an der Zeit zu gehen. Als sie sich eines Nachts, nach einer langen Tanzsession, erschöpft in die Arme ihres geliebten Mannes legte, blickte sie in seine vertrauten Augen, atmete noch einmal tief ein und schloss anschließend zufrieden ihre Augen. Nun wurde sie vom Mond angestrahlt, so warm und wunderschön, und wie ihr Mann in Licht verwandelt. Der Mond holte sich die beiden Liebenden in seine warme, wohlwollende Nähe. Sie manifestierten sich als leuchtende Sterne am dunklen Himmelszelt. Nun waren sie für immer zusammen, tanzten im hellen Schein des Mondes, hoch am Himmel, wo ihre Erinnerungen an ihre Liebe für immer bestehen bleiben...

ENDE

 

Thomas P. Groh


- TG


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