DIE PHILOSOPHEN DER VERLIERER
Deutsche Produktionen sind für viele Film- und Serienliebhaber immer noch ein rotes Tuch. Auch wenn es wirklich schon viele hochwertige Serien wie DARK, DEUTSCHLAND ´83 oder erstklassige Filme wie SYSTEMSPRENGER sowie AUSGRISSN gibt. Meine Wenigkeit ist ein bekennender Verfechter der deutschen Film- und Serienlandschaft und ich supporte daher jede noch so kleine Produktion gerne, wenn Potenzial dahinter steckt. Nun bin ich auf die kleine Serienperle WARTEN AUF‘N BUS aufmerksam geworden und von der will ich euch daher ein bisschen etwas erzählen.
KURZ ETWAS ZUR STORY:
Irgendwo tief in Brandenburg: Die zwei vom Leben geprägten Kumpels Hannes (Ronald Zehrfeld) und Ralf, genannt Ralle (Felix Kramer), sind schon ewig Freunde. Die Endvierziger haben schon bessere Zeiten gesehen und sind nun an der Endhaltestelle angekommen. Der eine ist Frühinvalide und der andere langzeitarbeitslos. Da es in ihrem verschlafenen Dörfchen keine Kneipe mehr gibt, gesellen sich die beiden Kumpels täglich ins örtliche Bushäuschen, trinken Bier und philosophieren über Gott und die Welt. So offen ehrlich und rein wie nur möglich. Ihr Lichtblick des Tages ist dabei jedoch immer, wenn tatsächlich mal der Bus hält und die Fahrerin Kathrin (Jördis Triebel), in die beide verliebt sind, sich zu ihnen gesellt...
Gleich vorweg: Ich habe selten etwas so authentisches, aufrichtiges und klischeefreies Berührendes gesehen wie in dieser deutschen Serienproduktion. WARTEN AUF‘N BUS ist echt, lebensnah und in jeder Sekunde zutiefst menschlich, dass es einem Freuden- wie Mitleidstränen in die Augen schießen lässt, ohne dabei aufdringlich zu wirken. So, nun wisst ihr auch gleich, was euch erwartet. Eine Lobeshymne! Sorry, muss einfach sein. Dazu muss auch noch gesagt werden, dass ich ein Bayer bin und dennoch hat mich diese Serie vollkommen eingenommen und mein Serienherz erweicht. Die Produktion besticht mit unkonventioneller Einfachheit, seiner entschleunigten Gangart und einer brachialen Reduzierung auf einen Ort, zwei Hauptfiguren und ihre Gesprächen. Herrlich einfach, großartig inszeniert und herausragend gespielt von Ronald Zehrfeld und Felix Kramer. Ja, diese aus 8 Teilen à 27- 30 Minuten bestehende deutsche, warmherzige Mini-Serie des Rundfunks Berlin-Brandenburg (rbb) wird mir noch lange im Gedächtnis bleiben. Der Regisseur Dirk Kummer inszenierte den tragikomischen Stoff nach einem Drehbuch von Oliver Bukowski mit so viel Gefühl, Charme und Witz, dass sich das Gesehene tief in mein Herz gebrannt hat.
„Alle sprechen immer von den großen deutschen Produktionen wie DARK, BARBAREN oder BABYLON BERLIN, doch WARTEN AUF‘N BUS ist die größte kleine Produktion von allen und die beste Serie aus unserem schönen Land – jetzt schon KULT!“
„Für all die Verlierer, die Ausgestoßenen, die Unverstandenen, die Kaputten, die Verlebten, die Anderen da draußen: Diese Serie ist für EUCH und eine Liebeserklärung an all das Unperfekte...“
Zwei sympathische Verlierer, hautnah und liebenswert
Die Serie ist als eine Art Sitcom konzipiert, hat aber viele tiefgründige und dramatische Ansätze. WARTEN AUF‘N BUS philosophiert über das Leben, will dabei aber auf keine einfachen Lösungen hinaus, sondern mit Authentizität, Verstand und Warmherzigkeit punkten, die mitten ins Herz treffen und direkt aus dem Leben stammen. Hier geht es um viel mehr als nur eine tiefe Männerfreundschaft, um mehr als um intelligente Dialoge oder um das Wetteifern der Liebe einer Busfahrerin. Die Serie handelt von rein gar nichts und doch von so viel. Hier geht es um das wahre Leben, um zwei einst so starke Existenzen, die nun von der Zeit und der Gesellschaft vergessen werden. Zwei gebrochene Seelen, die an der Endhaltestelle des Lebens angelangt sind und nur noch ihre Erinnerungen, ihre Freundschaft und das Hoffen auf die Wende haben. Wie schon erwähnt sucht die Produktion nicht nach einfachen Lösungen wie beispielsweise Schuldzuweisungen oder plumpe Schwarz-Weiß-Malerei. Nein, hier wird offen und ehrlich mit Handlungen und ihren Konsequenzen und mit der Härte des Lebens umgegangen. Die Serie ist kritisch, reflektierend, offen und mit entlarvender Ehrlichkeit über Schmerz, Depression und Kummer. Und dies alles so unbeschwert melancholisch wie nur möglich. WARTEN AUF‘N BUS ist einfach so verdammt gut geschrieben und noch besser gespielt. Nahezu jede Szene ist einzigartig, die Charaktere sind liebenswert wie unvergesslich und die Gangart ist unbeschwert stimmig. Ein Hauch Kleinstadtromantik, ein paar Filmzitate sowie Anspielungen und eine durchgehend leichte Grundmelancholie schwingen stetig mit. Weise, weltoffen und psychologisch wie philosophisch wird hier das Leben der verlorenen Kinder der Gesellschaft akribisch seziert.
Das perfekte Duo
Die beiden Hauptprotagonisten Kramer und Zehrfeld, die zu Recht gemeinsam für den „Deutschen Fernsehpreis“ in der Kategorie „Bester Schauspieler“ nominiert sind, spielen sich die Seele aus dem Leib in einem Spiel zwischen Scham, Verzweiflung, Wut, Sarkasmus, Hoffnung und Liebe. Beeindruckend gefühlsecht und bittersüß vorgetragen, nein, gelebt. Diese beiden gestandenen Männer leben diese Rollen und das fühlt man zu jeder Sekunde. Man muss diese beiden Anti-Helden der Unterschicht einfach lieben! Dann wäre da auch noch die struppig–ruppige Jördis Triebel, die mit viel Ironie und gewaltiger Frauenpower den beiden Männern den Kopf verdreht und sogar den Arsch rettet. Schauspielerisch auf ganz hohem Niveau. Selbst die Bildsprache ist exzellent gewählt und gelungen in Szene gesetzt. Die tristen Bilder der tiefen Weite des unendlichen Nichts bestätigen das Trostlose, die Einsamkeit und die tragische Endstation, an der Hannes und Ralle angekommen sind.
Menschelnd und aufrichtig ehrlich!
Denkwürdige Anekdoten und witzige wie kluge Dialoge paaren sich mit Situationskomik und bitter-ernsten Alltagsgefühlen. Mit zwei/drei Hauptdarsteller/Innen gesegnet, die ihr Innerstes nach außen kehren und atemberaubende schauspielerische Leistungen vollbringen, bewegt sich WARTEN AUF‘N BUS dabei immer auf einem schmalen Grad zwischen Komik und Tragik, sodass gewiss kein Auge trocken bleibt. Direkt aus dem Leben und voll rein in des Zuschauers Herz. Diese Serie ist wahrlich ein Juwel: Intelligent, komisch, tragisch, skurril und definitiv herzerwärmend! Danke!
Viel Spaß beim Film- und Serienschauen, euer Thomas P. Groh.