Die kleine Welt der Flechten

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19.01.2023 13:50 Uhr

Wahre Überlebenskünstler

Dr. Fritz Haselbeck

Der schneelose Winter, der uns heuer auch ins neue Jahr begleitete, die triste und feuchte Witterung, die unwirtliche Umgebung mag manch einem nicht sehr entgegenkommen oder gar erfreuen. Ganz anders „erleben“ Nässe und Plusgrade kleine Waldwesen, die ein karges Dasein führen und oftmals unbeachtet bleiben: Flechten! Gerade die derzeitigen Wetterbedingungen, Temperaturwerte zwischen winterlichem Frost und frühlingshafter Milde, eine resche Kühle, tun den kleinen Bodenwesen besonders gut. Diese Kühle setzt sich zwischen Baumbeständen in unseren Wäldern länger fest als auf freiem Wiesen- und Ackergelände, Die Regenfälle in diesen Wochen gewähren ihnen ausreichend Nachschub an Wasser, um prächtig gedeihen zu können. Dünne Schneedecken in höheren Lagen stellen dabei kein Hinderniss dar, junge Sprößlinge vermehren sich auffallend rasch und ergiebig. Diese üppige Wachstumsphase haben Flechten den bisherigen dezenten Wintergraden zu verdanken, sie geben ihnen kräftigen Anschub wie schon lange nicht mehr. Das ist auch ein Grund, weshalb Flechten ebenso wie Moose derzeit in einem besonders frischem Grün leuchten. Aber nicht nur das: Der Effekt wird verstärkt durch das fehlende grüne Blattlaub und das schräg einfallende Sonnenlicht durch kahles Laubgehölz. Die weitgehend schneefreie Natur und nasskühle Witterung schaffen für die kleinen Waldbewohner außerordentlich günstige Lebensbedingungen, sie bringen für den ökologischen Haushalt der Natur einmalige Vorteile.

In Vergleich zu bunten Blumen und Blütengewächsen zeigen sich die meisten Flechten in unseren Wäldern als unscheinbare und unauffälllige Wesen. In ihren gedämpften Grünfarben stechen sie nicht besonders ins Auge, da bei ihrer Färbung auch grün-bläuliche oder grün-graue Töne mitmischen. Nur einige „Cladonia-Arten“ bilden am obenern Ende Fruchtkörper aus, die scharlachrot strahlen und besondere Aufmerksamkeit erregen. Eine Ausnahme bildet auch die „Gelbe Schüsselflechte“, die sich an Sträuchern in einem gelb-orangen „Outlook“ präsentiert.

Flechten besiedeln wechselschattige Lebensorte, wobei sie eher lichte Wuchsstellen bevorzugen. Sommerliches Sonnenlicht kommt ihnen entgegen, sie vertragen es gut, da sie gegen Austrocknung wirksam geschützt sind. Ihr Körper ist zäh, umgeben von einer derben Haut, oft mit grieskörniger Oberflächenstruktur. Damit werden sie zu wahren Überlebenskünstlern, vor allem in zu heißen Sommerzeiten, bei anhaltender Dürre oder eisigen Minusgraden. Sie wachsen auf mürbem, humsreichem Boden, häufig setzen sie sich an vermodernden Baumstümpfen und Astresten fest, sind aber auch an gesundem Holz von Bäumen und Sträuchern anzutreffen.

Flechten bestehen aus grundverschiedenen Lebewesen: Eine Schlauchpilzart oder mehrere Arten machen den Grundköper aus, in ihn nisten sich winzige Grünalgen und Blaubakterien ein. Alle miteinander leben in Symbiose, wobei sie sich in Nährstoff- und Wasserversorgung zum gegenseitigen Nutzen unterstützen. Manchmal wachsen sie in Einzelbeständen, meist aber suchen sie enge Gesellschaft mit gleichen oder ähnlichen Flechtengattungen, sie rotten sich dabei häufig in ausgedehnte Kolonien zusammen. Auf jeden Fall sind Flechten gerade im Bayerischen Wald, weil sie hier in reicher Abwechslung vorkommen, interessante und zu jeder Jahreszeit beachtenswerte Lebewesen!

Foto: Rotfrüchtige Säulenflechten (im Bayerischen Wald)

- DH



Quellenangaben


Bildupload: Dr. Fritz Haselbeck

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