Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat uns schonungslos vor Augen geführt, wie sich einseitige Abhängigkeiten auf die politische, wirtschaftliche und soziale Situation in unserem Land auswirken können. Eine Haupterkenntnis dieser Situation ist die Notwendigkeit zur Diversifizierung der deutschen Energieimporte sowie ein noch stärkeres Vorantreiben der Energiewende zur weitestmöglichen Bedarfsdeckung aus eigener Erzeugung. – Wie aber verhält es sich vor dem Hintergrund eines drohenden militärischen Ausgreifens Chinas auf Taiwan mit den deutschen Abhängigkeiten gegenüber der Volksrepublik? – Diesem Thema widmete sich der JU-Kreisverband in einer Veranstaltung der Reihe "JU FRG IM DIALOG" mit MdB Thomas Erndl, zu welcher der JU-Kreisvorsitzende Christoph Weishäupl geladen hatte.
"Die Volksrepublik China wird bis spätestens 2050 die größte Militär- und Wirtschaftsmacht der Welt sein", stellt MdB Thomas Erndl zu Beginn seines Referates fest. Dabei zeige sich in vielerlei Hinsicht, dass die Volksrepublik sich seiner Macht nicht nur zunehmend bewusst ist, sondern auch willens ist, diese Stärke im globalen Kontext auszuspielen. Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag analysiert weiter, dass es sich im Falle Chinas spätestens seit dem jüngsten Parteitag der Kommunistischen Partei um ein totalitäres, diktatorisches und zutiefst repressives System handle, das trotz seiner teilweise kapitalistischen Ausrichtung sowie umfassender wirtschaftlicher Beziehungen zu westlichen Staaten mitunter auch einen systemischen Rivalen darstellt. In diesem Zusammenhang müsse man sich in den westlichen Hauptstädten vermehrt die Frage stellen, wie man auf mögliche militärische Aggressionen Pekings reagieren würde.
Um sich hier realistische Handlungsspielräume zu verschaffen, wird der Verringerung "übermäßiger wirtschaftlicher Abhängigkeiten" dabei eine maßgebliche Rolle zufallen müssen. Diese steht auch im Mittelpunkt der geplanten China-Strategie der Bundesregierung, zitiert Erndl die Antwort auf eine dahingehende Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion. Dies sei angesichts der vielschichtigen und im Vergleich zu den deutsch-russischen Verflechtungen noch weitaus stärkeren Abhängigkeiten von der Volksrepublik auch dringend geboten, ist der Außenpolitiker überzeugt. Schließlich sei China seit 2016 Deutschlands größter Handelspartner. So wurden im Jahr 2021 Waren im Wert von 246,5 Milliarden Euro zwischen Deutschland und der Volksrepublik China gehandelt, wie Erndl betont.
MdB Thomas Erndl (Mitte) referierte vor Vertretern der Jungen Union sowie weiteren Gliederungen der CSU im Landkreis zu den Erfordernissen der China-Politik. Mit im Bild: (v. links n. rechts) Fürstenecks Bürgermeister Alexander Pieringer, JWU-Kreisrat Wilhelm Sitter, JU-Kreisvorsitzender Christoph Weishäupl und JU-Kreisgeschäftsführer Martin Höppler.
Besonders problematisch sei dabei, dass China nicht nur ein wichtiger Absatzmarkt der bedeutsamen Automobilindustrie ist, sondern in der Vergangenheit auch zunehmend Wertschöpfung nach China verlagert wurde. Hinzu kommt, dass in Deutschland zahlreiche Herstellungsprozesse in der Elektronik- und Chemieindustrie nicht ohne Zwischenprodukte aus China funktionieren und das Land bei seltenen Erden annähernd Monopolstellung besitzt. Diese sind wiederum in vielen Bereichen der Elektronik, etwa bei Akkus, Solarmodulen oder Elektroautos, und damit nicht zuletzt für die Energiewende unverzichtbar. Deutschland müsse daher im eigenen Interesse Lieferketten diversifizieren, Abhängigkeiten abbauen und den Abfluss von technologischen "Know-How" durch chinesische Investitionen und Übernahmen deutscher Unternehmen und Infrastruktureinrichtungen vorbeugen, betont Erndl.
In einer globalen Betrachtung ist Erndl überzeugt, dass sowohl Deutschland als auch die Europäische Union ein größeres Augenmerk auf den afrikanischen Kontinent richten müssen. China und Russland seien dort seit einiger Zeit enorm präsent. Wo der Westen sich militärisch zurückziehe, fülle oftmals Russland entstandene Lücken; bisweilen auch durch die Entsendung von Söldnertruppen. China wiederum ködere afrikanische Regierungen massenhaft durch den Bau von Infrastruktureinrichtungen, Investitionen in den Aufbau von Landwirtschaft und Industrie sowie weitere mutmaßliche Wohltaten, führe diese aber im Gegenzug in finanzielle und wirtschaftliche Abhängigkeiten. Nicht zuletzt aus wirtschafts- und migrationspolitischen Erwägungen müsse die deutsche Seite dies zwingend berücksichtigen, wenn der Einsatz der Bundeswehr in Mali zur Disposition steht oder entwicklungspolitische Strategien entwickelt werden. Afrika müsse in diesem Kontext stärker als Handelspartner und Absatzmarkt betrachtet werden, so Erndl.