"Was rückblickend beim Kreis-Caritasverband Freyung-Grafenau e. V. auffällt, ist seine personelle Konstanz: In 60 Jahren gab es lediglich vier Vorsitzende und drei Geschäftsführer", begrüßte Josef Bauer (Geschäftsführender Vorstand) die Vertreter der Caritasverbände aus der Region. "Im Bereich der Wohlfahrtsverbände wirklich eine sehr ungewöhnliche Situation. Ich denke, das ist einer der Erfolgsgaranten für die 60 Jahre KCV im Landkreis Freyung-Grafenau." In diesem Jahr - aufgrund von Krankheit oder Terminkollisionen - war die aktuelle Zahl der anwesenden Caritas FRG-Aufsichtsräte sehr dezimiert, so konnten auch keine Vertreter des Landratsamtes und der Geistlichkeit an der diesjährigen Sitzung teilnehmen.
Wieder ein Jahr voller Herausforderungen
"Ich vergleiche dieses Berichtsjahr mit einer schwierigen Bergtour: Geprägt von einigen kniffligen Passagen und oftmals eine echte Gratwanderung", startet Alexandra Aulinger-Lorenz (Hauptberufliche Vorständin) ihren Tätigkeitsbericht 2021|22.
Die Corona Pandemie hat dabei ein "fast unüberwindliches Höhenprofil" aufgezeigt: "Trotz aller 'steinigen Wegstrecken' ist es uns gemeinsam mit unseren Führungskräften gelungen, so viel Normalität wie möglich zu leben." Nach den innerverbandlichen Personalveränderungen stellte Alexandra Aulinger-Lorenz kurz die Neuerungen im Verband vor, unter anderem: Den Umzug der ambulanten Pflegezentrale von Freyung nach Waldkirchen. Damit einhergehend die erste solitäre Tagespflege als teilstationäre Einrichtung für Senioren im Landkreis. Die Möglichkeit einer Online-Beratung über das Portal des deutschen Caritasverbandes und die Gründung des Integrationsunternehmens grünWERK FRG gGmbH, für Arbeitnehmer mit Schwerbehinderung.
Fachkräftemangel forderte erste Schließung einer KCV-Einrichtung
Die Chefin im regionalen Wohlfahrtsverband konnte nicht nur über Erfreuliches der vergangenen 365 Tage berichten: So musste eine der drei heilpädagogischen Wohngruppen in Schönberg geschlossen werden. "Nicht aus Gründen der Nachfrage, sondern weil nicht genügend Fachkräfte für die Betreuung gefunden werden konnten!" Auch der Fachbereich der Gemeindecaritas ist nach Vertragsbeendigung mit der Caritas in der Diözese Passau weggefallen. "Zum großen Bedauern. Margarethe Aigner hat über 30 Jahre die 'Gemeindecaritas' hier in der Region aufgebaut - viel Engagement und Herzblut in die Netzwerkarbeit und Koordination von Ehrenamtlichen investiert. Sie hat die Caritas in der Vielfältigkeit der Trägerstruktur gelebt: Sie war und ist das 'Gesicht der Caritas'! Sollte zukünftig die 'Gemeindecaritas' im Rahmen der Neustrukturierung im Bistum den Kreisverbänden zugeordnet werden, stehen wir selbstverständlich wieder zur Verfügung."
Mit stehendem Applaus bedankten sich die Vertreter der Caritas für das unermüdliche Engagement von Margarethe Aigner in der Betreuung und Begleitung der zu uns geflüchteten Menschen aus der Ukraine.
Ukrainehilfe - Zeit "Danke!" zu sagen
Die aktuelle politische Krise in der Ukraine und die damit verbundene Herausforderung an den Kreis-Caritasverband FRG waren selbstverständlich Thema beim Tätigkeitsbericht. In der Erstaufnahmehalle in Röhrnbach versorgte der Kreis-Caritasverband die Menschen mit Kleidung und Hygieneartikel. Es folgten diverse Ukrainespenden und Hilfsaktionen, Unterstützung bei der Wohnungssuche, Kooperationen mit Kommunen und den Orts- und Pfarrcaritasverbänden, Begegnungstreffen und die Vernetzung von ehrenamtlich Helfenden. Besonders für die enge und konstruktive Kooperation mit dem Landratsamt FRG bedankte sich die hauptberufliche Vorständin. "Eine unserer Mitarbeiterinnen hat sich hier besonders verdient gemacht: Tag und Nacht und manchmal mit dem Einsatz der gesamten Familie hat Margarethe Aigner uns in der krisenhaften Zeit unterstützt", unterstrich Vorständin Aulinger-Lorenz den Einsatz. Alle kamen nur allzu gerne der folgenden Aufforderung nach: "Liebe Frau Aigner, bitte bleiben Sie jetzt sitzen und liebe Vertreter, bitte stehen Sie jetzt auf! Als Zeichen unserer Wertschätzung sagen wir herzlichen Dank und zollen Ihnen Frau Aigner, einen kräftigen Applaus."
Mit einem kurzen Blick in Richtung Verbandszukunft schloss Alexandra Aulinger-Lorenz (Hauptberufliche Vorständin) ihren Beitrag: Der Umzug ins neue Caritas Beratungszentrum Grafenau steht für Ende 2023 an. Damit gibt es dann in allen Landkreisstädten Beratungs- und Betreuungszentren mit höchsten Qualitätsstandards dem Caritasverband FRG und wohnortnah den Rat- und Hilfesuchenden zur Verfügung. In Grafenau werden - neben einer teilstationären Tagespflege für Senioren - 23 betreute Seniorenwohnungen neu entstehen. Auch bedarfs- und zielorientierte Konzepte in Fragen der Digitalisierung und Fachkräftegewinnung werden schon entwickelt, um zeitnah umgesetzt zu werden. Bei der Weiterentwicklung der Caritas für das Bistum Passau will sich der Kreisverband aktiv als Gestalter und Ideengeber einbringen. Die Verbandschefin zitierte zum Schluss den Sing-a-Song Writer Hubert von Goisern: "Wenn Berge das sind, weiß ich, dass ich da hinaufgehen kann, um mir von oben eine neue Perspektive vom Leben zu holen."
Schulbau "stresst" viele Jahre die Bilanz
Vor der Entlastung des Aufsichtsrats (ohne Gegenstimme) durch die Vertreterversammlung lieferte Josef Bauer (Geschäftsführende Vorstand) noch die entscheidenden Zahlen aus dem Geschäftsjahr 2021|22 zu: Der Kreis-Caritasverband Freyung-Grafenau e.V. hat das abgelaufene Berichtsjahr mit einem Umsatzvolumen von fast 17 Mio. Euro abgeschlossen. Die Einnahmen des regionalen Wohlfahrtsverbands resultieren dabei aus Leistungszahlungen und Betriebskostenzuschüsse der öffentlichen Hand, Pflegesatzleistungen. Spenden und Zuschüsse oder die Corona-Unterstützungen von Diözesanseite bilden eine "schmale Linie" auf dem Präsentationsdiagramm. Die Ausgaben resultieren zu über 80 % aus den Personalkosten für die 524 Mitarbeiterinnen und Mitarbeit im Caritasverband FRG. Die meisten arbeiten hier in den Arbeitsfeldern der Pflege, der Kinder- und Jugendhilfe und der Behindertenhilfe. "Wir sind ungefähr auf dem Niveau von 2017 wieder angekommen", freute sich Bauer bei der Vorstellung des Jahresabschlusses. "Für die Bilanzstruktur der kommenden Jahre wird aber der Schulbau - aufgrund langwieriger Prüfungsabläufe - noch viele Jahre sich auswirken. Denn die letzten 2,7 Mio. für die der Kreiscaritasverband in Vorkasse gegangen ist, können erst fließen, wenn der Rechnungshof der Regierung von Bayern die Gelder freigibt!"
Auch wenn nicht alle - krankheitsbedingt oder wegen Terminkollisionen - an der Vertreterversammlung 2022 teilnehmen konnten, die Verbandsversammlung wurde zu einem gelungenen "Come Together" der regionalen Caritas-Aktiven. (V.li.) Dr. Peter Robl (Aufsichtsratsvorsitzender KCV), Josef Bauer (Geschäftsführender Vorstand KCV), Alexandra Aulinger-Lorenz (Hauptberufliche Vorständin KCV), Mag.a Andrea Anderlik (Direktorin DiCV Passau) und Irene Hilz (Aufsichtsrätin KCV).
Caritas FRG: Quo vadis!
Der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Peter Robl ließ in seiner Rede an die Vertreter aus Orts- und Pfarrcaritasverbänden im Landkreis auch grundlegende Überlegungen für den Fortbestand der Caritas einfließen: "Die vorausgegangenen Ausführungen lassen erkennen, dass sich der KCV Freyung-Grafenau weiterentwickelt", so Dr. Robl. "Wenn ich meinen Sohn in Paris besuche, fahre ich öfters auch mit dem Auto auf den Bunds- und Landstraßen durch Frankreich. Dabei wundert mich immer wieder, wie wenig der ländliche Raum dort entwickelt ist. Vergleicht man das mit den föderativ organisierten Ländern wie Deutschland, der Schweiz oder Österreich, ist dort scheinbar alles auf Paris fokussiert. So ist auch ein Segen, dass in der Diözese Passau die Zuständigkeiten in einer 'Dreifaltigkeit' von Pfarr- und Ortsverbänden, Kreisverbänden und dem DiCV Passau geregelt ist." Die Nähe zu den Landratsämtern erlaubt der Kreisebene ein direktes, bedarfsorientiertes und schnelles Handeln, wenn dies erforderlich ist. Beratungs- und Betreuungsdienste sind so optimal auf die Landkreisbegebenheiten zugeschnitten und die Caritasmitarbeiter können bestens betreut und weiterentwickelt werden. Und weiter: "Eine Zusammenarbeit der KCVs untereinander wiederum kann durchaus Synergien haben, die wir heut noch nicht ausreichend nutzen. So könnte die Sozialstation in Grafenau auch Pflegepatienten in Frauenau und die Sozialstation in Waldkirchen auch Patienten (im nahe gelegenen) Sonnen versorgen."
Besuch der neuen Caritasdirektorin
Zum ersten Mal, seit Mag.a Andrea Anderlik die Stelle als Direktorin beim Caritasverband in der Diözese Passau im April angetreten hat, besuchte sie nun zur Vertreterversammlung 2022 den Kreis-Caritasverband Freyung-Grafenau e.V. Die sympathische, als ausgewiesene Expertin im Pflegesektor und eloquente Oberösterreicherin zeigte sich sehr interessiert an der Dynamik des Kreisverbandes. In ihren Grußworten bewertete sie dabei auch die momentan mehr als angespannte Situation in der Pflege und dem akuten Fachkräftemangel. "Wir müssen den jungen Menschen das Berufsfeld näherbringen. Den Vorteil, am Menschen arbeiten zu können und nicht am Computer. Wir müssen den 'Overhead' bei Dokumentation und Verwaltung unbedingt in den Griff bekommen!", forderte Mag.a Anderlik. Darüber hinaus stellte klar: "Es wurde in den letzten 15 - 20 Jahren politisch und gesellschaftlich verabsäumt, Mütter und Kindern eine echte Perspektive zu geben!"