Der Beginn des Kriegs in der Ukraine am 24. Februar hat eine große Flüchtlingswelle Richtung Westen in Gang gesetzt. In ganz Europa ist die Bereitschaft groß, den Geflüchteten schnell und unbürokratisch zu helfen. In Deutschland wurde umgehend ein Prozess in Gang gesetzt, in dessen Kern die solidarische Verteilung der mittlerweile über 300.000 angekommenen Menschen auf die einzelnen Länder und Kommunen steht. In der Stadt Passau wurden bisher 457 Personen im Ausländerzentralregister registriert, gemäß dem derzeitigen Verteilungsschlüssel des Freistaates Bayern mehr als doppelt so viele wie vorgesehen. Der Registrierungsprozess hat sich jedoch von vornherein als Nadelöhr erwiesen.
Oberbürgermeister Jürgen Dupper: „Ich bin sehr beeindruckt und dankbar zugleich, dass die Passauerinnen und Passauer einmal mehr anpacken und den Menschen aus der Ukraine beistehen. Das gilt für die einschlägigen Institutionen ebenso wie für Privatpersonen, die eine Wohnunterkunft anbieten oder sich in anderer Weise engagieren. Seitens der Stadt Passau haben wir von Beginn an ebenfalls alles darangesetzt, den Ankömmlingen in ihrer schwierigen Situation zu helfen. Gleichwohl sind wir dazu verpflichtet, die Registrierung ordnungsgemäß vorzunehmen, was dazu führt, dass gerade unser Ausländeramt an den Rand seiner Kapazitäten kommt. Nichtsdestotrotz haben die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter den Ansturm bis dato bewältigt, wofür ich ein großes Dankeschön aussprechen möchte. Wartezeiten sind leider nicht zu vermeiden, mit etwas Geduld lassen sich aber nahezu alle Probleme lösen.“
Mittlerweile nutzt die Stadt Passau die Möglichkeit, die Ersterfassung der Flüchtlinge, die im Stadtgebiet untergebracht werden, über das Ausländerzentralregister (AZR) vorzunehmen. Um dies in einem Zug zu erledigen, hatte das Ausländeramt in der vergangenen Woche an zwei Tagen für den regulären Parteiverkehr geschlossen. Seither hat die Stadt vor Ort auch einen Dolmetscher im Einsatz, ein zweiter wird hinzukommen. Dadurch können Angaben schneller abgefragt und Anträge effektiver bearbeitet werden.
Das deutlich zeitintensivere Verfahren mit der Personalisierungsinfrastrukturkomponente (PIK) ist bei einer ausländerrechtlichen Registrierung zwar zwingend notwendig, kann aber im Fall von ukrainischen Flüchtlingen nachgeholt werden. Bis in den Juni hinein wurden dazu schon Termine vergeben. Aufwendig ist daran die Erfassung mit Fingerabdrücken und biometrischen Daten sowie eine erkennungsdienstliche Behandlung, was insgesamt einen Zeitaufwand von etwa einer Stunde pro Person mit sich bringt. Erschwerend kommt hinzu, dass jede Kreisverwaltungsbehörde nur über ein dafür notwendiges Gerät verfügt, weil sie normalerweise nicht für die PIK-Erfassung zuständig ist und diese eigentlich nur im Notfall durchführt. Der Versuch, zusätzliche Geräte zu beschaffen, scheiterte an der bundesweit nicht gegebenen Verfügbarkeit beziehungsweise an den mehrmonatigen Lieferzeiten.
Lediglich vier Tage nach Kriegsbeginn hat die Stadt Passau in der alten Dreifachturnhalle eine Notunterkunft für bis zu 150 Flüchtlinge aufgebaut, die zunächst auf Zuruf der Bundespolizei nur nachts zwischen 22 und 9 Uhr geöffnet hatte. Ab 5. März fanden sich täglich 30 bis 50 Personen ein, die auf der Durchreise waren. Die 24-stündige Öffnung an 7 Tagen pro Woche startete am 11. März. Fünf Tage später kam es zur ersten Zuweisung von 69 Personen vom Ankerzentrum Deggendorf nach Passau. Das Prozedere vor Ort: Corona-Schnelltest, ausländerrechtliche Erfassung inklusive Antrag auf Sozialleistungen und Vermittlung von Wohnunterkünften. Letzteres liegt im Aufgabenbereich des Sozialamts, das schon Anfang März öffentlich zur Meldung von Wohnmöglichkeiten für Geflüchtete aufgerufen hatte.
In der Notunterkunft wird bei Bedarf auch eine medizinische Sprechstunde angeboten. Werden bereits untergebrachte Flüchtlinge krank, wird ein Krankenschein beim Ausländeramt ausgestellt, der einen Arztbesuch ermöglicht. In medizinischen Notfällen ist selbstverständlich auch der direkte Klinikums- beziehungsweise Arztbesuch möglich. Der Krankenschein wird in diesen begründeten Fällen nachträglich ausgestellt.
Von der Stadt Passau wurde außerdem ein „Informationsblatt für den Aufenthalt in Passau“ in deutscher, ukrainischer und russischer Sprache verteilt, das detaillierte Informationen zu den Bereichen Ausländerrecht, Sozialhilfe und Wohnen, Krankenhilfe sowie Corona-Virus und Impfung enthält. Darüber hinaus sind darin alle wichtigen Kontaktdaten genannt, angefangen vom Ausländeramt bis zum Ehrenamtskoordinator, der als Anlaufstelle für ehrenamtliche Helfer dient.
Das Infoblatt kann auch auf der Homepage der Stadt Passau heruntergeladen werden. In den Bereich, der viele weitere Auskünften enthält, gelangt man über einen Quicklink in den ukrainischen Farben auf der Startseite. Auch das Informationsblatt des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration wird hier in den relevanten Sprachen zum Download angeboten.
Sollten die geflüchteten Personen ihren Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten können, besteht die Möglichkeit Sozialleistungen oder Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu beantragen. Personen, die schon vor der PIK-Registrierung dringend auf Sozialleistungen angewiesen sind, können bereits vorab einen Antrag beim Ausländeramt stellen. Die Bearbeitung erfolgt dann zeitnah. Für Menschen, die in kostenpflichtigen Wohnungen untergekommen sind, werden die angemessenen Wohnungskosten vom Staat übernommen.
Zudem vermittelt der Ehrenamtskoordinator der Stadt Passau bei Bedarf ehrenamtliche Unterstützung wie zum Beispiel Begleitung und Hilfe im Alltag.
Inzwischen wurden in Passau 457 ukrainische Flüchtlinge registriert und untergebracht. Gemäß dem Verteilschlüssel des Freistaats Bayern müssten es in der Stufe 1 (50.000 aufgenommene Flüchtlinge in Bayern) 200 sein. Sollten insgesamt 100.000 Flüchtlinge im Freistaat aufgenommen werden, erhöht sich die Zahl für die Stadt Passau auf 400.
Am 16. März erfolgte der Umzug der Notunterkunft in die Dreiländerhalle mit zunächst 250 Betten durch Kräfte der Feuerwehr, des Malteser Hilfsdienstes und des Bayerischen Roten Kreuzes. Als sich Ende März abzeichnete, dass die vorgehaltenen Kapazitäten bei Weitem nicht ausgeschöpft werden, kam es Anfang April zur Rückverlegung in die alte Dreifachturnhalle.
Die Stadt Passau engagiert sich überdies bei der Aufnahme geflohener Kinder und Jugendlicher aus der Ukraine an den bayerischen Schulen im Rahmen pädagogischer Willkommensgruppen, die unter Federführung des Staatlichen Schulamts nach den Osterferien zur Verfügung stehen sollen. Zudem werden niederschwellige Angebote zur Kinderbetreuung geschaffen. Der öffentliche Personennahverkehr steht allen ukrainischen Kriegsflüchtlingen darüber hinaus kostenlos zur Verfügung. Für alle weiteren Fragen stehen die jeweiligen Fachstellen gerne zur Verfügung.