Wirtschaft und Corona, die einrichtungsbezogene Impfpflicht, Asylsituation: Die Themen der niederbayerischen Landrätekonferenz waren äußerst breit gefächert. Neben dem regelmäßigen digitalen Austausch haben die Landräte der niederbayerischen Landkreise wieder den direkten Austausch untereinander gesucht, dieses Mal in Neufahrn in Niederbayern im Landkreis Landshut – natürlich unter Einhaltung von 2G und den aktuellen Hygieneregeln.
Seit knapp zwei Jahren beherrscht die Corona-Pandemie die Gesellschaft – auch mit enormen Auswirkungen auf die heimische Wirtschaft und ihre Betriebe. Einen Überblick über die aktuelle Situation, aber auch die Herausforderungen der Zukunft haben Jürgen Kilger, der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz und Alexander Schreiner, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Niederbayern, gegeben. „Der Austausch und die Zusammenarbeit mit den Vertretern der niederbayerischen Wirtschaft ist uns sehr wichtig.
Die Landkreise sind Partner der Wirtschaft. Die Rahmenbedingungen so zu schaffen, dass Arbeitsplätze entstehen und erhalten werden können, gehört zu den Kernthemen der Landkreise“, fasste der Vorsitzende der niederbayerischen Landräte Sebastian Gruber (Freyung-Grafenau) zusammen.
Von „gemischten Erwartungen“ der Handwerksbetriebe in Niederbayern und der Oberpfalz berichtete der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz Jürgen Kilger. Auch wenn rund die Hälfte der Unternehmen ihre Geschäftslage als gut bewerteten und sich viele Handwerksgruppen über Neuaufträge und Umsätze nicht beschweren könnten, seien es vor allem die enormen Preissteigerungen, die den Betrieben Sorge bereiteten. Gerade die körpernahen Dienstleister wie Friseure und Kosmetiker könnten den coronabedingten Umsatzverlust, den die Schließung ihrer Betriebe über mehrere Wochen verursacht habe, nicht mehr kompensieren.
Die Verbindung von Handwerk und Klimaschutz sei eines der prägenden Themen der kommenden Jahre. Viele, aktuell politisch vorangetriebene Themen würden von den Handwerkern als positiv bewertet, sei es der Bau von mehreren hunderttausend Wohnungen pro Jahr, der Ausbau von Elektromobilität, erneuerbaren Energien oder die energetische Sanierung des Gebäudebestands mit energieeffizienten Heizformen. Auch deshalb brauche das Handwerk laut Kilger beste Rahmenbedingungen, um seinen Beitrag als Nachhaltigkeitsmotor umfassend leisten zu können.
Die niederbayerischen Landräte waren für ihre Tagung in Neufahrn (Landkreis Landshut) zu Gast.
Die Mobilität im ländlichen Raum, der Ausbau der ÖPNV-Angebote für Auszubildende sowie landkreisübergreifende Tarifangebote waren ein weiterer Schwerpunkt. Dabei betonten die Landräte die vielschichtigen Bemühungen, hier ansprechende Angebote zu schaffen – dennoch, so der Tenor „helfen alle Busse und Investitionen nichts, wenn sie von den Bürgerinnen und Bürgern nicht angenommen werden“.
Im Bereich der digitalen Infrastruktur trügen die Bemühungen der Landkreise und Gemeinden langsam Früchte, dennoch sei ein Glasfaser-Anschluss oder eine flächendeckende 4G-Mobilfunk-Versorgung im Zuständigkeitsbereich der Wirtschaftskammern noch kein Standard, schilderten die Referenten. Gerade in der Digitalisierung lägen jedoch viele Chancen, Entlastungen für die Betriebe zu schaffen, gerade um den Abbau der überbordenden Bürokratie voranzutreiben. Notwendig sei hier auch, Planungs- und Genehmigungsverfahren zu beschleunigen, etwa mit Blick auf Energiewende, Infrastruktur und Betriebserweiterungen.
Von einem ebenfalls differenzierten Bild im Bezug auf Lage und Erwartungen in Niederbayerns Unternehmen aus Industrie, Handel, Dienstleistungen und Tourismus berichtete IHK-Hauptgeschäftsführer Alexander Schreiner. Der Aufwärtstrend in der Wirtschaft, der sich nach dem massiven Corona-Einbruch gezeigt habe, sei zuletzt unterbrochen worden – gleichzeitig seien die Erwartungen für die Zukunft so zuversichtlich wie noch nie seit Beginn der Pandemie. Die Beurteilung der aktuellen Lage dagegen falle wieder schlechter aus. Als Gründe dafür nannte Schreiner die Corona-Auflagen mit den vorangegangenen Verschärfungen, aber auch Belastungen wie explodierende Energiepreise, Lieferengpässe oder Material- und Rohstoffknappheit. „Allen voran ist der Fachkräfte und Nachwuchsmangel Wachstumsbremse Nummer 1 für die niederbayerischen Betriebe, Tendenz steigend. Rund zwei Drittel der offenen Stellen können derzeit nicht besetzt werden, gesucht werden dabei in allererster Linie Fachkräfte aus der beruflichen Bildung“, betonte Schreiner – ein Befund, der sich genauso im Handwerk zeige. Der Mittelstand erweise sich in dieser Situation weiter als wichtiger Stabilitätsanker der niederbayerischen Wirtschaft. Trotz der Wachstumsbremsen bleibe die Industrie weiter in der Erfolgsspur. In der Dienstleistungsbranche sei die Stimmung unterschiedlich und schwanke zwischen positiven Bewertungen zum Beispiel in der Finanz- und Versicherungswirtschaft und schlechter Stimmung etwa in der Kultur- und Freizeitwirtschaft.
Der Handel und vor allem auch der Tourismus litten weiter unter der Corona-Pandemie und den damit verbundenen, sich ständig ändernden Auflagen: von 2G- und 2Gplus-Regeln über die mittlerweile aufgehobene Sperrstunde oder eingeschränkte Besucherzahlen bis zur kompletten Schließung von Clubs und Diskotheken.
Natürlich nahm das Thema Corona einen großen Stellenwert in der Landräte-Tagung ein: Neben der hohen Anzahl an neuen Fällen in allen Landkreisen und die extreme Auslastung der Gesundheitsämter wurde vor allem die einrichtungsbezogene Impfpflicht unter den Landräten diskutiert, die von vielen Seiten, auch dem Bayerischen Landkreistag, scharf kritisiert wurde. Die Situation sei nach wie vor unklar, es fehlten weiterhin Vorgaben, allen voran vonseiten des Bundes. Schon vor dem Stichtag Mitte März werde deutlich, dass der Betrieb vieler Einrichtungen auf der Kippe stehe, sollten sie aufgrund von Personalmangel ihre Arbeit nur noch eingeschränkt fortführen können. Das betreffe unter anderem Einrichtungen der Behindertenbetreuung, ebenso wie ambulante Pflegedienste, Krankenhäuser oder Altenheime. Dass eine allgemeine Impfpflicht kommen müsse, war für die Landräte unbestritten. Der Präsident des Bayerischen Landkreistags, der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter, betonte, dass zum jetzigen Zeitpunkt der rechtliche Vollzug noch nicht abschließend geklärt sei. „Bisher kann niemand am 16. März rechtssicher ein Betretungsverbot aussprechen. Es fehlen Hinweise, wie ein einheitlicher Vollzug aussehen soll. Die Bundesregierung hat ein Auto geliefert, aber ohne Motor.“
Für die Arbeit des Bezirks Niederbayern gab Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich, seines Zeichens auch Bürgermeister der Stadt Freyung, einen kurzen Überblick und konzentrierte sich vor allem auf den Bereich der Kinder und Jugendpsychatrie.
Der Vorsitzende der niederbayerischen Landräte, Landrat Sebastian Gruber (Mitte), bedankt sich herzlich bei den beiden Hauptgeschäftsführern Jürgen Kilger (Handwerkskammer Niederbayern-Oberpfalz, links im Bild) und Jürgen Schreiner (IHK Niederbayern) für den regen Austausch.
Das Thema Asyl stand im Mittelpunkt der Ausführungen von Regierungspräsident Rainer Haselbeck. Denn trotz der anhaltenden Pandemiesituation kämen wieder deutlich mehr Flüchtlinge und Asylbewerber nach Deutschland und Europa und müssten vor Ort untergebracht werden. Mit der stark zunehmenden Zahl an neu hinzukommenden Flüchtlingen gerate das System an seine Grenzen. Ein weiterer Punkt sei die Unterbringung der afghanischen Ortskräfte und deren Familien, die in weitaus größerer Anzahl untergebracht werden müssten, als aktuell Kapazitäten vorhanden seien. Sie haben von der Bundesrepublik Deutschland eine Aufnahmezusage erhalten, da sie in Afghanistan die dort stationierten deutschen Hilfskontingente aufgrund ihrer Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten bei deren Tätigkeit in bedeutender Weise unterstützt haben. Der Regierungspräsident appellierte an die Landräte: „Wir haben uns diese Herausforderung nicht ausgesucht, aber sie ist da. Wieder einmal sind wir gemeinsam gefordert, Unterkünfte zu schaffen. Die Regierung benötigt hierzu die aktive Unterstützung der Landkreise und ihrer Gemeinden.“ Sowohl Gemeinschaftsunterkünfte als auch dezentrale Unterbringung seien ausdrücklich möglich.
Der Landkreis Landshut, gastgebender Landkreis für die Tagung, hat auf diese Entwicklungen, wie andere Landkreise auch, bereits reagiert, berichtete Landrat und stellvertretender Sprecher Peter Dreier. Unterstützt von den Bürgermeistern seien bereits passende Immobilien ausgesucht worden: „Wir haben in der Vergangenheit bereits auf das System der dezentralen Unterbringung gesetzt und wollen es auch weiterhin tun. Denn kleinere Unterkünfte haben im Gegensatz zu den großen Gemeinschaftsunterkünften den Vorteil, dass die Menschen viel besser integriert werden können und auch weniger Konfliktpotenzial untereinander entsteht“, erklärt Dreier. Auch habe sich dies bei positiven Corona-Fällen und den daraus resultierenden, viel kleinteiligeren Quarantäne-Maßnahmen äußerst bewährt.