Grausam ist die Nacht der Nächte, wenn zottelige Wesen mit blutunterlaufenen Augen und Fangzähnen - lang wie Unterarme - durch die Gassen wanken. Am Kopf wachsen ihnen Hörner, die hoch in den schwarzen Himmel ragen. Unter Trommelwirbel und Schellen-Geschepper krawallen sie sich vorwärts. Eines der Ungeheuer mit knorriger Nase, die bis über das Kinn reicht, prescht über den Absperrzaun und peitscht einem Zuschauer mit einer Kuhschwanz-Rute gegen die Beine. Die Kinder jubeln, die Erwachsenen erschrecken gehörig. Es ist Raunacht in Pullman City. An diesem Abend sind die Perchten los.
Am besten kommt man schon am Nachmittag. Dann hat man noch Zeit, die Ausstellung der Masken in der Reithalle anzuschauen. Die meisten sind handgefertigte Unikate. Manche kosten über 600 Euro. „Ich mag dieses Brauchtum. In der Schweiz haben wir so etwas in dieser Art nicht. Bei uns ist das leider immer mit Fasching verbunden“, sagt Astrid, eine strohblonde Frau mit kohleschwarz angemaltem Gesicht. Sie gehört zur ‚Aare-Tüfel’, eine der 32 Brauchtumsgruppen die am internationalen Perchtentreffen teilnehmen. Auf dem Tisch vor ihr liegen handgeschnitzte Masken aus Zirbenholz mit geisterhaften Augen, die einem schon Furcht einflössen, bevor sie jemand aufsetzt und mit Leben füllt. Aber keine davon gehört ihr. „Es ist wahnsinnig heiß unter so einer Maske. Ich bekomme darunter keine Luft“, erzählt sie. Deshalb arbeitet sie lieber als Feuerschluckerin. „Da muss man nur aufpassen, dass man sich nicht verschluckt“.
Um draußen noch einen Platz am Zaun zu ergattern, stellt man sich vorzugsweise neben eine Schar Kinder. Denn sie genießen die größte Aufmerksamkeit der unheimlichen Gesellen. Fast jeder Percht begrüßt den Vierjährigen auf den Schultern einer Frau mit ‚High Five’. Der Kleine verzieht dabei keine Miene, so als hätte er das alles schon Hundert mal mitgemacht. Andere gruseln sich noch richtig, wenn in künstlichem Nebel eine Fratze nach der anderen auftaucht, leuchtende Augen aus Hexengesichtern starren und mit Fellen behangene Wesen auf sie zurasen.
Das ist besser als jede Geisterbahn! Nicht gerade artgerecht verteilen die Perchten aber auch Bonbons an die Kleinen. Der Vierjährige ist so beliebt, das er sogar von einem Teufel entführt wird. Erst schaut die Mama belustigt, dann verwirrt. Aber kurz bevor sie in Sorge verfällt, hat sie ihren Liebsten schon wieder auf den Schultern sitzen. Nach zwei Stunden ist der Spuk vorbei. So mancher Besucher nimmt sicher ein paar Bilder davon mit in seine Träume.
Info: Geplante Perchtenveranstaltung in Pullman City
P.S: Percht oder Krampus? Es gibt unterschiedliche Theorien. Einige besagen, dass die Perchten Symbol für alles Schlimme sind. Sie jagen die Seelen böser Menschen, um sie in die Hölle zu bringen. Die Krampusse werden auch als Gegenspieler des Nikolaus bezeichnet und tadeln böse Taten. In der Theorie soll man die beiden auf keinen Fall verwechseln. Aber in der Praxis haben sie sich mit der Verbreitung aus dem Alpenraum bis Niederbayern bereits stark vermischt.