Forensische Krankheiten und Sucht verursachen großes Leid – auch bei den Betroffenen selbst. Wenn die Seele weint, tut es gut, jemanden zu haben, der einen auffängt, einen Weg aus dem Dunkel weist und eine neue Perspektive bietet. Dass der Betreuungsverein 1:1 soziale Partnerschaften e.V. aus Straubing dies seit zehn Jahren schafft und das Aufgabengebiet der Verantwortlichen dabei immer umfangreicher wird, darüber informierten sich Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich und Bezirksrat Franz Schreyer im neuesten Projekt: Dem „Lummer2ndland“ in der Fraunhoferstraße in Straubing.
Der neue Laden ist das, was Straubing in dem Format bislang noch nicht hatte: Ein Second-Hand-Shop. Aber einer, dem man dies nicht anmerkt. Die Wände sind in flottem Grün gehalten, selbst gestaltete Kleiderstangen aus Holz tragen edle schwarze Blusen, feine Sakkos, ordentlich aufgehängte Hosen und einen Petticoat mit großen Blumen. Dazwischen gibt es, liebevoll angeordnet, Handtaschen aller Couleur, farbigen Modeschmuck und kreative Möbel. Es ist das Reich von Petra Lummer, die den Laden für den Betreuungsverein 1:1 führt, aber nicht ganz allein: Es ist auch das Reich von 16 Mitarbeitern, ehemalige Sucht- oder Forensik-Patienten. Sie packen mit an, damit die von der Bevölkerung gespendete Kleidung gewaschen, gebügelt und wieder für den Verkauf fit gemacht wird, inklusive Preisschild. Und die zusammen Möbel bauen, zum Beispiel einen Stuhl aus Paletten oder einen Badschrank aus einem alten Koffer. Auch beim Verkauf sind sie eingebunden.
„Damit gelingt Integration mitten in der Stadt“, erklärte Albert Engel, Geschäftsführer des Betreuungsvereins, Bezirkstagspräsidenten Dr. Olaf Heinrich und Bezirksrat Franz Schreyer das Konzept. Und kann schon nach kurzer Zeit Eröffnung stolz mitteilen: „Der Laden trägt sich.“ Die Aktivitäten des Vereins lassen sich allerdings bei weitem nicht nur auf den Second-Hand-Shop sowie einen Laden für Dekoartikel in der benachbarten Straße reduzieren. In zehn Jahren ist die anfangs kleine Initiative enorm angewachsen: „Der Bedarf an unserer Arbeit ist enorm“, stellen Albert Engel und sowie Vereinsvorsitzender Werner Haas fest.
Derzeit betreut der Verein fast 200 suchtkranke Menschen und ehemalige Forensiker in Niederbayern und bietet 116 Menschen Wohnraum in Einzelwohnungen oder therapeutischen Wohngemeinschaften. 45 Sozialpädagogen und Psychologen sind angestellt. 25 Menschen werden in den vom Verein finanzierten tagesstrukturierenden Maßnahmen - nämlich den beiden Verkaufsläden, der Kleiderkammer und dem Möbellager mit Werkstatt – beschäftigt. Im ersten Drogenkontaktladen in Niederbayern können Suchtkranke einen Kaffee trinken, Musik hören, Wäsche waschen oder duschen und dabei niederschwellig in Kontakt mit Hilfsangeboten tun. Auf dem soziotherapeutischen Bauernhof im Landkreis Dingolfing-Landau hilft der Umgang mit Eseln und Schafen, wieder eine Struktur zu bekommen und Empathie zu empfinden. Der Verein führt zudem in den Landkreisen Straubing und Dingolfing Präventionsmaßnahmen wie die Jugendsprechstunden durch sowie die aufsuchenden Hilfen für Obdachlose und hat den ersten auf suchtkranke Menschen spezialisierten Pflegedienst ins Leben gerufen. Weiter gehört eine spezielle Wohneinrichtungen für aus der Forensik entlassene Menschen zum Portfolio.
Begeistert vom Konzept des Ladens „Lummer2ndland“ in der Fraunhoferstraße zeigten sich Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich (links) und Bezirksrat Franz Schreyer (rechts) mit der Laden-Verantwortlichen Petra Lummer (Mitte). Das Konzept des Betreuungsvereins 1:1, der dahinersteckt, schilderten den Gästen, hinten von links Albert Engel, Katharina Wiesmüller, Ingrid Thiede und Werner Haas.
Den Bezirk nannte Werner Haas als wichtigen Partner. Man bemühe sich aber dennoch, diesen nicht ausschließlich zu belasten, sondern auch andere finanzielle Förderungen aufzutun. Auf Nachfrage von Bezirksrat Franz Schreyer begrüßte Ingrid Thiede, zuständig für ehemalige Forensik-Patienten, dass es auch in Straubing eine psychiatrische Institutsambulanz geben soll. Dies sei bereits beschlossen – diese Botschaft brachte Bezirkstagspräsident Dr. Olaf Heinrich mit. Gesucht wird hierfür noch das nötige Personal. „Dringendst“ sei diese Einrichtung notwendig, betätigte das Team des Betreuungsvereins.
Der Bezirkstagspräsident zeigte sich bei seinem Besuch begeistert: „Es ist eine beeindruckende Bandbreite, die in den zehn Jahren entstanden ist. Danke, dass Sie nicht nachlassen, es besteht wirklich ein großer Bedarf.“ Er sicherte zusammen mit Franz Schreyer weiter seine Unterstützung zu. „Hut ab, was Sie leisten“, sagte auch Schreyer.