„Ihr werdet später in den Geschichtsbüchern nachlesen können, was sich derzeit direkt um euch herum abspielt. Ihr seid Zeitzeugen einer Völkerwanderung, die nicht nur unser Land, sondern vielleicht ganz Europa verändern wird“, so die Einleitung von Realschuldirektor Günther Schwarzbauer zu einem aktuellen Projekt an der Realschule Grafenau.
In sechs aufeinander folgenden Unterrichtsstunden wurden jeweils die Klassen einer Jahrgangsstufe zusammengefasst und drei Asylsuchende, die von Herrn Püschel, dem Vertreter des Landratsamtes vor Ort in der Turnhalle Grafenau, ausgewählt waren, berichteten von ihrem Schicksal. In der Zweifachturnhalle sind ausschließlich Flüchtlinge aus Afghanistan untergebracht. Es war Geschichtsunterricht pur, was die Männer aus ihrem Land authentisch berichten konnten. Ein Mann mit Familie, Haus, Auto, Studium und normaler Arbeit verlässt aus Todesangst seine Heimat. Der Druck und die Morddrohungen von Al Qaida sind so groß, dass ihm keine Wahl bleibt zu fliehen. Er macht sich sehr große Sorgen um seine Angehörigen, die jede Woche bedrängt werden.
Im Detail erklärten die Flüchtlinge, wo ihre Heimat war und auf welchem Weg sie nach Deutschland gekommen sind.
Die Schüler stellen viele Fragen, auch um einfachste Dinge, um die Situation zu verstehen. Es ist bei allen Jahrgangsstufen mucksmäuschenstill im Raum. Eine Englischlehrkraft übersetzt jeweils die Fragen der Schüler und die Antworten der Flüchtlinge. „Seid ihr mit dem Boot über das Meer gekommen?“, wollen die Schüler wissen. „Nein, das war uns zu gefährlich.“ Es gab die Alternative auf der Route von der Türkei nach Griechenland entweder an einem Tag mit dem Boot auf eine Insel zu gelangen oder einen beschwerlicheren Weg über das Land zu wählen, der allerdings fast eine Woche länger dauerte.
Die Schüler äußerten sich ausnahmslos dankbar für die Gelegenheit, sich selbst ein eigenes Bild von der geschichtsträchtigen Situation in der Turnhalle direkt neben ihrer Schule zu machen. Sicherlich sind am Mittag viele mit anderen Einschätzungen nach Hause gegangen als sie am Morgen in die Schule reingekommen waren.